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Das verlorene Land

Das verlorene Land

Titel: Das verlorene Land
Autoren: J Birmingham
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seine Frau hatten über ihre Zukunft nachgedacht und ob das Leben ihnen nicht noch mehr zu bieten hätte als das Dasein in einem Flüchtlingslager.
    »Papa? Mittagessen?«
    »Das Mittagessen wird uns auf unserem Ritt nicht begegnen, großes Mädchen«, scherzte er, aber sie verstand die Anspielung nicht. Sehr wahrscheinlich hatte Sofia nicht die leiseste Idee, wer John Wayne war. Für Miguel war er der größte aller Cowboys.
    Sie verzog das Gesicht, holte einen Apfel aus ihrer Satteltasche, biss hinein und seufzte theatralisch, als das Pony
ihr zu verstehen gab, dass es auch ein Stück von dem Leckerbissen haben wollte.
    Miguel band sein Pferd los, schwang sich in den Sattel und ließ seinen Blick zufrieden über seinen Besitz streifen. Oder über das, was bald sein Besitz sein würde. Es war ein großer Unterschied, das hatte er festgestellt, ob man für einen Vorgesetzten schuftete oder den Schweiß für ein Stück Land vergoss, das man sein Eigen nannte. Viele Hektar grünes Gras wiegten sich in der sanften Brise, erstreckten sich über hügeliges Land hinab ins Tal, wo genetisch veränderter Spinat und Mangold sprossen und ausgedehnte Felder mit Hartweizen zu sehen waren. Alles wuchs besonders schnell und wurde von Jahr zu Jahr größer. Wenn er es geschickt anstellte, konnte er die Ernte Jahr für Jahr um das Dreifache steigern. Mit dem wechselhaften Klima, den kalten Wintern und heißen Sommern dieser Gegend kamen die neuen Pflanzen wesentlich besser zurecht als die aus der Zeit vor dem Effekt. Und falls es irgendwelche Probleme mit ihnen gab, hatte Miguel die jedenfalls noch nicht bemerkt.
    Er selbst machte sich nicht viele Gedanken über genmanipulierte Pflanzen. Was auch immer seiner Familie half zu überleben, war seiner Ansicht nach gut, auch wenn er wusste, dass die Grünen im Kongress und in der Regierung in Washington bestrebt waren, diese Wunderpflanzen zu verbieten. Er schüttelte den Kopf, als er sein Pferd von dem alten Holzzaun fortlenkte. Warum machten die so was? Das war doch Wahnsinn, gerade jetzt, da das Land so große Schwierigkeiten hatte, seine Bürger zu ernähren. Es fehlte nicht nur an fruchtbarem Land und an Saatgut, sondern auch an erfahrenen Farmern und – wie hieß das nochmal? – Infrastrukturen, um die Ernte auf den Markt zu bringen. Geeignete Maschinen für die Agrarwirtschaft zu finden war ziemliche Glückssache. Und wenn die Ernte eingefahren war, musste sie oftmals tagelang mit Pferden
von den Höfen zu den Silos transportiert werden. Diese Konvois wurden oftmals von Banditen überfallen.
    Sofia tauchte neben ihm auf. Er empfand Stolz, als er sah, wie aufrecht sie im Sattel saß und mit welcher Leichtigkeit sie ihr Pferd führte. Sie war ein braves Mädchen und würde in einigen Jahren eine wundervolle Frau sein. Zweifellos würde er dann seine Flinte brauchen. Nicht zuletzt deshalb, weil immer mehr Siedler in dieser Gegend auftauchten, was ja zu erwarten war. Zurzeit teilten sie sich das Tal mit einer Handvoll anderer Familien, und mindestens die Hälfte von ihnen kam, wie seine Angehörigen, aus dem Ausland. Die Polen mochte er am liebsten. Sie waren ruhig und erdverbunden und kannten sich mit Landwirtschaft aus. Die Yankees, die aus Seattle gekommen waren, gehörten zwar zu der netten Sorte, aber sie waren zu rücksichtsvoll und hatten eigenartige Ideen. Sie sprachen immer davon, dass das Land ihre Mutter Erde sei, und benutzten andere merkwürdige Begriffe. Freude, Glück, Selbstverwirklichung und so ein Zeug.
    Sie stritten sich ständig mit der Siedlungsbehörde herum, weil die Regierung in Seattle darauf bestand, dass ein bestimmter Prozentsatz der Aussaat aus neuen, genveränderten Pflanzen bestehen musste. Immer wieder fochten sie Konflikte mit den Inspektoren und Aufsichtsbeamten aus, die alle paar Monate vorbeischauten, und beharrten darauf, biologische und bio-dynamische Anbaumethoden anwenden zu dürfen. Außerdem waren sie völlig verstört wegen der Jagd auf die Hirsche, die auf Miguels Ranch im letzten Herbst stattgefunden hatte. Sie waren extra gekommen, um gegen seine »mörderischen Praktiken« zu protestieren. Ausgerechnet da kam Sofia angerannt, von oben bis unten mit Blut besudelt, und hielt den abgeschnittenen Kopf des Zehnenders, den sie an diesem Tag selbst geschossen und ausgenommen hatte, triumphierend in die
Höhe. Prompt war einer von denen aus Seattle in Ohnmacht gefallen. Ein Mann!
    Miguel glaubte nicht, dass sie es lange hier aushalten
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