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Das verlorene Gesicht

Das verlorene Gesicht

Titel: Das verlorene Gesicht
Autoren: Iris Johansen
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Mit einer Süchtigen aufzuwachsen hatte einen zutiefst misstrauischen Menschen aus ihr gemacht. Wahrscheinlich war die Rastlosigkeit ihrer Mutter typisch für sie und gesund dazu. Eine stabile und liebevolle Beziehung war das Beste, was ihr passieren konnte. Also lass Sandra nur machen, aber behalt sie im Auge. Sie starrte durch den Bildschirm hindurch. Für heute hatte sie genug gearbeitet. Es konnten kaum Zweifel daran bestehen, dass der Schädel dem kleinen Bobby Starnes gehörte. Ihr fiel der Logan-Schriftzug wieder auf, als sie das Programm beendete und den Computer abschaltete. Merkwürdig, dass man solchen Dingen nie Aufmerksamkeit schenkte. Wieso um alles in der Welt interessierte Logan sich für sie? Wahrscheinlich stimmte es gar nicht. Ziemlich sicher handelte es sich um einen Irrtum. Ihr Leben hatte mit dem von Logan absolut nichts zu tun. Sie stand auf und bewegte ihre Schultern, um die Verspannung abzuschütteln. Morgen früh würde sie ihre Untersuchung abschließen, den Bericht schreiben und zusammen mit dem Schädel abschicken. Sie mochte nicht mehr als einen Schädel im Labor haben. Joe lachte sie deswegen aus, aber sie konnte sich nicht mehr voll auf ihre Arbeit konzentrieren, wenn schon der nächste Schädel wartete. Also würde sie Bobby Starnes und den Bericht für Chicago noch einmal überschlafen und übermorgen hätten Bobbys Eltern Gewissheit, dass ihr Sohn nach Hause gekommen war und nicht länger zu den Verlorenen gehörte. » Find dich damit ab, Eve. « Ihre Mutter verstand nicht, dass die Suche nach Bonnie mit ihrem Leben verwoben war und sie gar nicht mehr auseinander halten konnte, welcher Faden Bonnie war und welcher die anderen Verlorenen. Wahrscheinlich war sie selbst viel labiler als ihre Mutter, dachte sie reumütig. Sie trat an das Regal, auf dem der neue Schädel lag. »Und was ist mit dir passiert?«, murmelte sie, während sie das Registrierschild entfernte und den Schädel auf ihren Arbeitstisch legte. »Ein Unfall? Mord?« Sie hoffte, dass es sich nicht um Mord handelte, aber erfahrungsgemäß ging es in diesen Fällen darum. Die Vorstellung des Schreckens, den das Kind vor seinem Tod erlitten hatte, drehte ihr den Magen um. Der Tod eines Kindes. Irgendjemand hatte das Kind als Baby in den Armen gehalten und seine ersten Schritte machen sehen. Eve hoffte, dass es Liebe und Freude erlebt hatte, bevor es in einem Erdloch im Wald verschwunden war. Sanft berührte sie die Wangenknochen des Mädchens. »Ich weiß nicht, wer du bist. Stört es dich, wenn ich dich Mandy nenne? Diesen Namen mochte ich immer gerne.« Gott, sie sprach mit einem Skelett, aber machte sich Sorgen, ihre Mutter könnte anfangen zu spinnen. Es war vielleicht verrückt, aber sie hatte es immer für respektlos gehalten, die Schädel so zu behandeln, als hätten sie keine Identität. Dieses Mädchen hatte gelebt, gelacht und geliebt. Sie hatte ein Recht darauf, als Persönlichkeit betrachtet zu werden. »Nur Geduld, Mandy«, flüsterte Eve. »Morgen werde ich dich vermessen und dann fange ich an, dein Gesicht nachzubilden. Ich finde heraus, wer du bist, und bringe dich nach Hause.«
    Monterey, Kalifornien
    »Sind Sie sicher, dass sie die Beste ist?« John Logan hielt den Blick auf den Fernsehschirm gerichtet, auf dem ein Video mit den Geschehnissen am Gefängnis abgespielt wurde. »Sie wirkt nicht besonders stabil. Ich habe schon genug Probleme und keinen Nerv, mich mit einer Frau herumzuschlagen, die nicht ganz dicht ist.«
    »Mein Gott, was sind Sie doch für ein freundlicher, einfühlsamer Mensch«, murmelte Ken Novak. »Ich denke, die Frau hatte einigen Grund, ein bisschen verwirrt zu sein. Das war in der Nacht, als der Mörder ihrer kleinen Tochter hingerichtet wurde.«
    »Da hätte sie ja eigentlich einen Freudentanz vollführen können und anbieten müssen, den Hebel eigenhändig zu betätigen. Ich hätte es so gemacht. Stattdessen hat sie beim Gouverneur einen Aufschub beantragt.«
    »Fraser wurde für schuldig befunden, Teddy Simes getötet zu haben. Er wurde unmittelbar nach der Tat geschnappt und hatte keine Gelegenheit mehr, sich der Leiche des Jungen zu entledigen. Aber er gestand, noch elf weitere Kinder ermordet zu haben, darunter auch Bonnie Duncan. Er gab Einzelheiten an, die keinen Zweifel an seiner Schuld ließen, aber er wollte nicht sagen, wo er die Leichen vergraben hatte.«
    »Und warum nicht?« »Keine Ahnung. Das war ein Wahnsinniger. Vielleicht ein letzter Akt von Niedertracht? Der
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