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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies
Autoren: Andreas Franz
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mich entführen?«, fragte sie neckisch lächelnd und setzte sich auf den Beifahrersitz.
    »Lass dich überraschen«, antwortete er vielsagend und gab Gas. Er bog an der Ampel rechts ab, nahm die Straße, die aus Frankfurt hinausführte. Nur wenige Autos waren unterwegs, bei diesem Regenwetter verkrochen sich die meisten Leute lieber in ihren Wohnungen. Die Scheibenwischer bewegten sich in monotonem Takt, das Radio spielte leise Musik, sie unterhielten sich einmal mehr über unwichtige Dinge wie das Wetter.
    »Ich dachte, wir fahren in die Innenstadt«, sagte Melissa eher belanglos, nachdem sie merkte, dass sie die Stadtgrenze bereits hinter sich gelassen hatten.
    »Die besten Lokale gibt es außerhalb. Mit wem warst du eigentlich verabredet?«, fragte er scheinheilig.
    »Kennst du nicht«, entgegnete sie und schaute aus dem Fenster in die Dunkelheit. »Wir wollten essen gehen …«
    »Woher willst du wissen, dass ich ihn nicht kenne?«
    »Also gut«, antwortete sie und verdrehte die Augen, was ernicht sehen konnte, »er heißt Tobias. Ist in meinem Anglistikkurs. Du kannst ihn also nicht kennen.« Und nach einer Weile: »Aber er ist unzuverlässig. Was machst du eigentlich so außerhalb der Uni?«
    »Was schon«, sagte er, zuckte mit den Schultern und grinste. »Lernen, lernen, lernen. Und nebenbei ein bisschen arbeiten.«
    »Aber heute Abend nicht«, erwiderte sie mit kokettem Augenaufschlag und sah ihn von der Seite an.
    »Einmal in der Woche, das hab ich mir vorgenommen, können mir die Bücher gestohlen bleiben. Und dieses eine Mal ist heute.«
    »Na gut. Jetzt sag schon, wo wir hinfahren.« Melissa holte eine Zigarette aus der Tasche und wollte sie anzünden.
    »Bitte nicht rauchen. Das kannst du doch nachher im Lokal machen. Ich mag keinen Rauch.«
    »Bisschen spießig, was?«, fragte sie spöttisch.
    »Nee, nur gesundheitsbewusst.«
    »Und verrätst du mir jetzt, wo wir hinfahren?«
    »Gleich sind wir da«, antwortete er und bog kurz darauf in einen asphaltierten Waldweg ein, an dessen Beginn ein Schild stand mit der Aufschrift: Privatweg – Betreten verboten. Sie runzelte die Stirn, ihr bis dahin gelöster Gesichtsausdruck wurde schlagartig ernst.
    »He, was soll das? Wo sind wir hier?«, sagte sie mit einem ängstlichen Unterton in der Stimme.
    »Wart doch mal ab«, antwortete er, während er innerlich angespannt wie selten zuvor war und wieder beschleunigte.
    »Fahr mich bitte sofort nach Hause«, forderte sie.
    »Piano, piano«, beschwichtigte er sie. »Du hast doch nicht etwa Angst, oder?« Und nach ein paar Sekunden: »Komm, vor mir brauchst du keine Angst zu haben, ich tu dir nichts, Ehrenwort …«
    »Ich will trotzdem bitte sofort nach Hause!«
    »Jetzt mach aber mal halblang, okay!«, herrschte er sie scharfan und trat abrupt auf die Bremse, woraufhin sie beinahe mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe geprallt wäre. »Du bist eingestiegen und mit mir mitgefahren. Und ab sofort machst du genau das, was ich dir sage, kapiert!«
    »Willst du mich vergewaltigen?«, fragte sie mit einem Mal ruhig und sah ihm in die Augen, doch es gelang ihr nicht ganz, ihre Angst zu verbergen. »Du kannst es auch so haben, ich wollte sowieso schon mal …«
    »Was wolltest du sowieso schon mal?«, fragte er misstrauisch.
    »Meinst du vielleicht, du bist mir bisher nicht aufgefallen? Du siehst gut aus, du … Na ja, aber du hast dich nie getraut, mich anzusprechen, außer dieser blöden Essenseinladung zwischen Tür und Angel. Und ich mache grundsätzlich nicht den ersten Schritt. Ich stehe auf die gute alte Schule, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Ist schon okay.« Er stellte den Motor ab. Ringsum herrschte absolute Finsternis, nur die Radiobeleuchtung spendete diffuses Licht. Sie waren allein, und er kannte die Gegend gut genug, um zu wissen, dass sich um diese Zeit und vor allem bei diesem Wetter kein Mensch weit und breit aufhalten würde. Die Leute waren mit den Vorbereitungen für Weihnachten beschäftigt, überall in der Stadt waren die Straßen und Geschäfte festlich geschmückt. Er wandte seinen Kopf in ihre Richtung und streichelte über ihr Haar. »Du bist schön, ehrlich. Aber ich kann Frauen nicht leiden, die ständig mit andern ins Bett steigen. Warum machst du das?«
    »Wieso steig ich ständig mit andern ins Bett?! Spinnst du? Ich hab Freunde, na und?! Aber ich bin keine Hure …«
    »Komm, ich hab dich beobachtet, wenn dich die Typen von der Bushaltestelle abholen und dich irgendwann nachts
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