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Das Verlies

Das Verlies

Titel: Das Verlies
Autoren: Andreas Franz
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jetzt aber genau achtzehn Minuten nach sieben, wenn ich nicht irre. Noch nicht einmal der Tisch ist gedeckt. Hast du dafür vielleicht eine Erklärung?«
    »Entschuldigung, aber ich habe vergessen, auf die Uhr zu sehen«, sagte sie mit fester Stimme, auch wenn alles in ihr vibrierte.
    »Du hast also vergessen, auf die Uhr zu schauen! Sieh an! Aber mich würde viel mehr interessieren, wo du heute Nachmittag warst? Ich habe mehrmals versucht, dich zu erreichen, auch auf deinem Handy. Wofür habe ich dir eigentlich das Handy gekauft, wenn du es nie einschaltest?«
    »Ich war spazieren, und zwar im Schwanheimer Wald. Den ganzen Tag habe ich schon Kopfschmerzen. Ich habe meine Tage, und ich habe leider mein Handy vergessen.«
    »So, mein kleiner roter Teufel war also mal wieder spazieren«, sagte er mit maliziösem Lächeln. »Und sicher hast du auch deinen lieben Sohn Markus mitgenommen, oder?«
    »Markus war bei Daniel. Er ist um Punkt sechs heimgekommen. Und bitte, nicht schon wieder vor dem Jungen«, flehte sie. »Es war doch in letzter Zeit alles so schön.«
    »Nicht schon wieder vor dem Jungen, nicht schon wieder vor dem Jungen«, äffte er sie nach, ohne auf ihren letzten Satz einzugehen. »Keine Angst, ich tu ihm nichts, ich hab ihn noch nie angerührt, das weißt du genau. Er kann am wenigsten dafür, dass er eine solche Mutter hat. Außerdem …«
    »Du kriegst doch gar nicht mit, was in ihm vorgeht, wenn er das alles mitbekommt«, schrie sie ihn unvermittelt an, wobei in der Mitte der Stirn die Zornesader hervortrat. »Und du bist sein Vater, falls du das vergessen haben solltest!«
    Mit einem Mal wurde seine Stimme leise, er zischte nur noch und hob seine Hand, als wollte er gleich zum Schlag ansetzen. »Wage nicht, noch einmal so mit mir zu reden, sonst knallt’s, merk dir das! Ist es vielleicht meine Schuld, wenn es dem Bengel nicht gut geht? … Aber lassen wir das. Du warst also wieder den ganzen Nachmittag allein. Tz, tz, tz, du warst allein, aber das Essen ist nicht fertig. Weißt du was, mir ist der Appetit vergangen. Komm mit nach unten, ich will dir was zeigen«, sagte er bestimmend und zog sie mit eisernem Griff am Arm hinter sich her. Markus rannte leise zurück ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen. Er tat, als würde er fernsehen.
    »Ab auf dein Zimmer«, befahl Rolf Lura und sah den Jungen, keinen Widerspruch duldend, an, »du kannst auch dort in die Glotze stieren. Und mach die Tür hinter dir zu. Und nachher will ich deine Hausaufgaben sehen.«
    Markus warf seiner Mutter einen angsterfüllten Blick zu, dieihm mit einem kaum merklichen Nicken bedeutete, dem Befehl seines Vaters nachzukommen. Er verließ wortlos das Zimmer, blieb aber auf halber Treppe stehen, um zu horchen, was gleich geschehen würde, obgleich er es wusste.
    »Hier, meine Liebe«, sagte Rolf Lura und zog sie zum Geschirrschrank. »Hier drin sind die Teller«, er nahm einen heraus und ließ ihn auf die Fliesen neben dem Teppich fallen, wo er in viele kleine Teile zerbrach, »die Tassen«, von denen er ebenfalls eine fallen ließ, und mit einem Mal schrie er: »Ganz viele Teller, Tassen, Gläser! Teller, Tassen, Gläser, die ich für teures Geld gekauft habe, um dir eine Freude zu machen! Dir, dir, dir! Und nichts von diesem ganzen verdammten Zeug steht auf dem Tisch, wenn ich nach einem harten Arbeitstag nach Hause komme. Ich möchte von einer liebenden Frau empfangen werden, alles soll Liebe, Frieden und Harmonie ausstrahlen, aber was erwartet mich, wenn ich die Tür aufmache?! Mein Sohn hockt vor der Glotze, anstatt sich um seine Schularbeiten zu kümmern, du treibst dich im Schlafzimmer rum, anstatt das Essen fertig zu haben, und wer weiß, wo du dich sonst noch den ganzen Tag über rumgetrieben hast …«
    »Rolf, mir geht es heute wirklich nicht besonders gut. Lass mich dir doch bitte erklären, was …«
    »Du willst dich rechtfertigen? Ist ja nichts Neues! Wenn meiner kleinen lieben Gabi nichts mehr einfällt, dann muss sie sich eben rechtfertigen. Und wer sich rechtfertigt, hat Schuld. Aber gut, dann erklär mir doch bitte, wieso hier nichts so funktioniert, wie ich das angeordnet habe.«
    Ohne auf die letzte Bemerkung einzugehen, sagte sie: »Das Essen ist fertig, ich muss nur noch den Tisch decken.«
    »Aber vorher machst du den Dreck hier weg. Über alles Weitere unterhalten wir uns später, verlass dich drauf. Irgendwann wirst auch du noch lernen, gehorsam zu sein. Los, mach schon!« Er gab ihr einen
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