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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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tat, die Ratschläge des Seeräubers zu befolgen.
    Er stand wieder auf und ging zu dem Tisch im Bugraum zurück. Dort tastete er sich zu seinem Gürtel vor und wickelte ihn um die Messerscheide. Dann ging er zu den Ruderbänken hinaus und kletterte über die Leiter nach draußen. Er schloss die Luke hinter sich, legte ein paar Säcke über das zusammengerollte Tauwerk und kletterte über die Strickleiter auf den Strand hinunter. Dort legte er Gürtel und Messerscheide auf seinen Umhang und zog die schweren Lederstiefel aus. Er knöpfte die abgenutzte Lederhose auf und zog sich das Hemd über den Kopf. Zahlreiche Narben kamen zum Vorschein. Ein rundes Mal am rechten Oberarm erzählte von einer Pfeilspitze und der lange weiße Schnitt auf seinem Rücken war eine weitere Erinnerung an vergangene Kämpfe. Er wandte sich zum Meer und legte die Arme um seinen Körper. Eine Weile blieb er so stehen, als könne er sich nicht entscheiden, ob er es wirklich tun sollte. Dann holte er tief Luft und schritt entschlossen in die Wellen hinaus. Er ging nur so weit, dass ihm das Wasser bis an die Schenkel reichte, lehnte sich dann aber nach vorn und warf sich das Wasser auf Brust und Gesicht. Er reinigte seine Finger mit nassem Sand und trocknete sich die Hände schließlich in seinen Haaren.
    Das kalte Wasser half gewöhnlich gegen die Kopfschmerzen, und Tir mochte es, wenn er sauber war, wenn er vom Schiff zurückkam. Als er fertig war, rannte er zu seinen Kleidern und trocknete sich mit seinem Umhang ab. Er zog sich die Hose an, wischte sich den Sand von den Füßen und trat in die Stiefel. Das weite Hemd stopfte er hinter den Hosengurt. Während er den Umhang ausschüttelte, bemerkte er, dass es bereits Abend wurde. Die Sonne leuchtete rot wie ein frisch geschmiedeter Schild. Nachdem er von dem Krieg nach Hause gekommen war, hatte er oft gemeinsam mit Turvi auf der Mole gestanden und die Sonne im Westen versinken sehen. Manchmal rief ihm der Einbeinige vom Hafen aus zu und bat ihn, sich anzuschauen, wie das Meer im Westen die Schwester des Windes verschluckte. Turvi saß oft dort draußen auf dem Ostarm der Mole auf seinem Stein. Lange, sehr lange konnte er dort sitzen. Der alte Mann sprach tagsüber kaum über etwas anderes als das Meer, er fragte, ob das Schiff bald klar sei und wann sie abreisen sollten. Des Abends kam er mit seinen Pergamenten zum Zelt und fragte ihn über die Häfen und Küstenlinie im Westen aus. »Erzähl mir von Arborg«, bat er. »Weißt du noch, wie die Küste dort im Westen ausgesehen hat?« Und während Bran vom Krieg erzählte, malte der Einbeinige Zeichen und Striche auf seine Karten. Turvi fragte nach allem, den Kriegsschiffen der Vandarer und den Gezeiten bei Arborg, und wenn er endlich aus dem Zelt kroch, war Tir meistens schon eingeschlafen.
    Bran nahm den Harzkessel mit und ging langsam die grasbewachsene Anhöhe hinauf. Am Beginn des Pfades, etwa eine Tonnenhöhe über dem Meeresspiegel, stellte er den Kessel ab. Manchmal konnten die Gezeiten das Wasser bis hoch auf den Strand spülen und die Strömungen waren dann kräftig genug, um sowohl Steine als auch halb volle Kessel mitzureißen. Aber die zwei Taue, die vom Bugsteven herabhingen, waren an Ankern befestigt, die Nangor im Sand vergraben hatte. Nicht einmal ein Sturm würde das Schiff losreißen können.
    Bran ging weiter den Pfad hinauf. Er legte sich den Umhang über den Arm und massierte sich mit der anderen Hand den Nacken. Tir rieb seine Schultern und seinen Nacken mit einer Salbe ein, doch auch das schien kaum zu wirken. Und er wollte mit ihr nicht über seine Verletzungen reden, denn sie hatte genug mit sich selbst zu tun. Die Frauen sagten, sie hätte jetzt die schlimmste Zeit hinter sich, doch er verstand nicht, wie sie das meinen konnten. Erst im Laufe des letzten Mondes hatte er richtig bemerkt, wie sich ihr Körper veränderte. Dielan und Turvi fragten fast jeden Tag nach ihr, und Turvi zählte die Kerben auf seinem Primstab. »Bald sind vier Monate vergangen, seit du vom Krieg zurückgekehrt bist«, sagte der Einbeinige und trommelte mit den Fingern auf seine Krücke. »Und sieben seit der Nacht, in der du mit den Tirganern losgesegelt bist.« Bran sah ihn vor sich, wie der alte Mann unter seinen buschigen Augenbrauen hervorlugte und wie ein kleiner Junge grinste. Dann stopfte er seinen Primstab wieder unter sein Hemd und nickte in Richtung des Turmes am Ende der großen Straße. »Ich zähle die Tage seit dieser Nacht. Acht
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