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Das Verheissene Land

Titel: Das Verheissene Land
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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mal zehn Tage werden es noch bis zur Geburt sein. Fast drei Monde.«
    Als Bran die Spitze des Hügels erreichte, gönnte er der Stadt nicht einen einzigen Blick. Er kannte jetzt jedes Haus und jeden Turm, denn er war mit Tir durch die Straßen gewandert und hatte mit Händlern und Galuenen gesprochen. Sie hatte ihm gezeigt, wie sie Salben aus Kräutern machten, die sie im Frühling und im Sommer am Hang oder am Strand sammelten. Sie war stolz auf ihr Wissen, und er war stolz auf sie.
     
    Auf halbem Weg nach unten hob er seinen Blick von dem schlammigen Weg. Die Langschiffe waren beeindruckende Gestalten zwischen den Eisschollen im Hafen. Er hatte hier auf dem Hügel gestanden, als die Tirganer sie in den Hafen ruderten, und sich geärgert, dass er mit seinem Schiff nicht früher begonnen hatte, so dass er gemeinsam mit ihnen hätte einfahren können. Jetzt machten die Tirganer Feuer unter ihren Grillrosten. Licht leckte aus Fackeln und Kohlelampen. Ein sicheres Zeichen, dass es ein Abend mit Flötenspiel, starkem Trunk und Tanz werden würde.
    Während Bran zum Hafen hinunterging, wich der müde Zug ein wenig von seinem Gesicht. Er streckte seinen Rücken und heftete den Blick auf die Schiffe. Er ging etwas seitlich der Rinnen, die das Schmelzwasser in den nassen Boden gegraben hatte. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, als er den gepflasterten Hafenplatz erreichte. Er ging zwischen Tonnen, Säcken und schwatzenden Händlern hindurch und stand schließlich neben einem Schiff, dessen Mannschaft gerade den Querbaum am Mast hochzog. Es war das zwölfte Langschiff am Ostende des Hafens, das zwölfte von Tirgas fünfzehn Schiffen. Es war Visikals Langschiff, und er kannte die Mannschaft. Tarba, Zwei Messer, Storm und Virga zogen am Zugseil, während Kengber, Nangor und die meisten von Vosnabars Männern die Hände hinter den Gürtel geschoben hatten und zusahen. Bran kletterte auf den Landgang und grüßte sie mit offenen Händen.
    »Bran!« Nangor kam ihm entgegen.
    Bran sprang an Deck, und der Seeräuber drückte seine Hand. »Wie geht es ihr? Tir, meine ich. Es dauert jetzt doch nicht mehr lange?« Nangor lehnte sich an die Reling und schob die Daumen hinter den breiten Gürtel. Der Seeräuber trug eine lange Lederweste und die weiten Ärmel seines Hemdes flatterten im Abendwind.
    »Noch knapp drei Monde.« Bran sah zu der glühenden Halbkugel, die im Westen auf den Wellen trieb. »Aber es geht ihr gut. Sie beklagt sich nicht.«
    Nangor strich sich über seinen langen, hellen Bart. »Ich weiß ja nicht so viel von Frauen«, sagte er, »aber ich weiß, dass die Tirganer heute Abend ein Fest feiern werden. Ein bisschen Trinken und Tanzen tut euch sicher gut. Die Mannschaft wird da sein.«
    »Ich weiß nicht.« Bran fuhr mit der Handfläche über die Bronzeschilde, die auf der Außenseite der Reling befestigt worden waren. »Hagdar hat heute ohne fremde Hilfe sein Zelt verlassen. Ich hatte mir eigentlich gedacht, heute Abend bei ihm zu sitzen. Ich will dort sein, wenn er aufwacht.«
    »Das sind gute Neuigkeiten.« Nangor legte seine Hand auf Brans Schulter. »Er ist ein tüchtiger Seemann. Ihr werdet ihn brauchen, wenn ihr lossegelt.«
    Der Querbaum fiel mit einem Knacken in die Halterung an der Mastspitze. Die Männer zurrten die Leinen an den Bolzen am Mastfuß fest. Zwei Messer und Storm banden die Steuerbordschot an der anderen Reling fest und Vosnabar hob die Backbordschot vom Deck auf. Er warf sie Nangor zu, der das Seil auffing und achtern am Kreuzhaken festband. Bran blieb am Landgang stehen. Viele Monde war es her, dass er das Meer unter seinen Füßen gespürt hatte. Sein Blick ging zu dem Schärengarten im Norden. Das letzte Sonnenlicht glitzerte wie Bronze auf den Wellenkämmen. Sie warfen sich gegen die Steinarme, die den Hafen schützten, und nur ein Teil Wasser fand den Weg durch die Öffnung der Mole. Die Wellen schwappten zwischen den Zweimastern der Händler und den Ankerketten hindurch, vorbei an Fischerbooten und aneinander gereihten Tangflößen bis ganz zu den Langschiffen, deren Flanken sie liebkosten und denen sie von Winden, Strömungen und fremden Ländern zuflüsterten.
    »Tileder!« Tarba hatte ihn entdeckt. Der alte Krieger mit dem grauen Bart breitete die Arme aus. »Gut, dass du gekommen bist! Wir haben die Schilde geputzt und die Segel geflickt, und ich habe das Winterbräu in die Weinschläuche gefüllt. Bald ist das Schiff klar. Die Vandarer werden mit jedem Tag stärker,
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