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Das verfluchte Koenigreich

Das verfluchte Koenigreich

Titel: Das verfluchte Koenigreich
Autoren: Frewin Jones
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»Bitte sei vorsichtig.«
    Langsam begann sie den Abstieg und blickte sich immer wieder nach Mallory um. Der Weg zum Strand war steil und tückisch, besonders bei Nacht, und hin und wieder rollte ein loser Stein unter ihren Füßen fort.
    Einmal stolperte Mallory und stieß einen schrillen Schrei aus, dabei drückte sie ihr Bündel noch fester an sich.
    Tania stieg zu ihr hoch. »Soll ich deinen Sohn für dich tragen?«, fragte sie.
    »Nein, Mylady«, murmelte Mallory und wich einen Schritt zurück.
    »Du kannst mich Tania nennen.«
    Mallory warf ihr einen düsteren Blick zu. »Nein danke, Tania – er wird mir noch früh genug genommen. Ich möchte ihn halten, solange ich kann.«
    »Ja, natürlich«, sagte Tania mitfühlend.
    Endlich kamen sie an einen schmalen Kiesstrand, der von zerklüfteten, schwarzen Felsen gesäumt war. Die Brandung brach sich an den Klippen und zwischen den Felsen zischten gewaltige Gischtfontänen hoch.
    Sie setzen sich schweigend an den Strand, die hohen Klippen im Rücken und vor ihnen die rastlose See.
    Die Nacht wollte kein Ende nehmen. Da war nichts außer der unerbittlichen Dunkelheit und den schwarzen Klippen. Der eisige Salzwind fegte vom Meer herein und das kalte Licht der Sterne schien auf sie herab.
    Mallorys Leid zerriss Tania das Herz.
    Manchmal war die trauernde junge Mutter so still, dass Tania sich fragte, ob sie noch atmete. Doch dann wurde ihr Körper vor Schluchzen geschüttelt und die Tränen strömten ihr über die Wangen, bis ihr Gewand nass geweint war. Sie wiegte das Kind und bettete es auf ihrem Schoß um, als wollte sie es ihm bequem machen. Sie steckte die Seide um den kleinen Körper fest und streichelte seine Wangen.
    Doch allmählich sah Tania, dass die Flut zurückwich und die Wellen einen Streifen grauen Sand unterhalb des Kiesstrands freigaben.
    »Es ist Zeit«, sagte Mallory leise.
    Tania spürte es auch. Der Himmel war so dunkel wie eh und je, und doch hatte sich etwas verändert. Es war, als wehte mit einem Mal eine frische Brise, die den Schleier der Nacht hob.
    Mallory ging eine Weile am Strand entlang, dann bückte sie sich und legte ihr seidenumhülltes Kind in den Sand.
    Tania schauderte, als sie das Baby dort liegen sah. Aber es war nicht die Kälte, die sie frösteln ließ, sondern der Gedanke, dass ein so unschuldiges Wesen – ein so junges Leben – so erbarmungslos ausgelöscht worden war.
    Mallory trat zurück und ergriff fest Tanias Hand. Schweigend standen sie da und blickten auf das kleine weiße Seidenbündel hinunter.
    Tania konnte nicht sagen, wann es begonnen hatte, doch plötzlich wurde ihr bewusst, dass die Luft vom Gesang einer lieblichen Stimme erfüllt war.
    Am Horizont erstrahlte ein blendend weißes Licht.
    Die Stimme sang eine bittersüße Melodie, die immer höher und höher wurde, bis Tania sie nicht mehr hören konnte. Um sie herum begann alles zu schimmern und ihre Haut begann zu prickeln, als hinge das Lied noch immer in der Luft.
    Mallory stieß einen leisen Seufzer aus und Tania sah zum Strand hinunter.
    Das Baby war fort, nur der Seidenstoff lag noch im Sand.
    Die Dämmerung war angebrochen und hatte den kleinen Gyvan nach Avalon getragen.

IV
    M allory blickte Tania an. »Ich danke Euch«, sagte sie leise. »Ich hätte diese Nacht allein nicht überstanden.« Sie hob die Seidentücher auf, hielt sie sich vors Gesicht und atmete den Duft ein. »Er ist fort – heimgegangen in die Gefilde der Gefallenen. Und vielleicht wird jetzt Prinzessin Zara an meiner Stelle über ihn wachen.«
    »Ja«, sagte Tania mit erstickter Stimme. »Da bin ich ganz sicher.«
    Mallory fing wieder an zu weinen und presste ihr Gesicht in den weißen Seidenstoff. Tania berührte ihre Schulter und wartete, bis ihr Schluchzen verebbte.
    »Möchtest du jetzt wieder zurückgehen?«, fragte sie schließlich. »Oder willst du lieber noch eine Weile hierbleiben?«
    »Ich bleibe noch eine Weile. Bitte lasst mich allein.«
    Tania umarmte Mallory kurz, dann ging sie zu der zerklüfteten Klippe und stieg den Pfad hinauf, den sie nachts heruntergekommen waren.
    Sie war von einer tiefen Ruhe erfüllt, als sie den Aufstieg begann, so als hätte die Dämmerung die Verzweiflung vertrieben, die sie in der Nacht erfüllt hatte. Und das Merkwürdigste war, dass sie nicht die geringste Müdigkeit verspürte, obwohl sie keine Minute geschlafen hatte.
    Jemand erwartete sie auf der Klippe. Es war Rathina, ihre schöne, dunkelhaarige Schwester, deren purpurrotes Gewand
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