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Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Titel: Das verbotene Land 2 - Drachensohn
Autoren: Margaret Weis
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verließ das Grab. Die Schreie der zwei Kinder erfüllten seinen Geist, bis beide schließlich erschöpft einschliefen.

1
    Bellona schickte den Jungen hinaus. Er sollte die Kaninchenschlingen überprüfen. Das war eine Aufgabe, gegen die er nie Einwände erhob, denn Hunger hatte er immer. Als er jedoch feststellte, dass er nichts gefangen hatte, war er nicht besonders enttäuscht. Heute brauchte er sich nicht um die nächste Mahlzeit zu sorgen. Letzte Woche hatte Bellona ein fettes Reh erlegt, so dass noch eine Weile frisches Fleisch im Haus sein würde. Er war in Gedanken ohnehin nicht beim Essen. Es war sein Geburtstag, und er war noch ganz damit beschäftigt, was sich am Morgen zugetragen hatte.
    Fünf Geburtstage hatte er schon miterlebt. Heute war sein sechster. An die letzten drei konnte er sich erinnern und vielleicht sogar an den davor. Allerdings war er sich nicht sicher, ob das wirklich eine Erinnerung war, oder ob er sich diesen Eindruck aus den nachfolgenden Geburtstagen zusammengebastelt hatte.
    Der Junge fürchtete seinen Geburtstag, freute sich aber zugleich auch darauf. Was er fürchtete, war der feierliche Ernst, mit dem er begangen wurde. Doch er freute sich auch auf diesen Tag, denn dann setzte Bellona sich mit ihm hin und redete mit ihm, was selten vorkam. In seiner Welt gab es nur sie beide, den Jungen und die Frau, doch gesprochen wurde nie viel. Mitunter vergingen Tage, in denen sie kaum mehr als einzelne Worte wechselten.
    Abends – besonders im Winter, wenn es so früh dunkel wurde, dass noch keiner von ihnen müde war – erzählte Bellona Geschichten aus alter Zeit, von den Kriegern und Schlachten der Vergangenheit, von Ehre und Tod. Doch es war dem Jungen nie so vorgekommen, als hätte sie diese Geschichten ihm erzählt. Es war eher, als würde sie mit denen sprechen, die gestorben waren. Oder zu sich selbst, als wäre sie ihr eigenes Publikum.
    An seinem Geburtstag aber sprach Bellona mit ihm, mit dem Jungen, und obwohl ihre Worte so schrecklich waren, wusste er sie zu schätzen und bewahrte sie den Rest des Jahres in seinem Herzen. Denn an diesem Tag waren dies seine Worte, die niemand anderem gehörten.
    Der Junge besaß kein klares Zeitgefühl. Er brauchte weder die Tage noch die Monate zu zählen, und an die Jahre erinnerte er sich nur dieses einen Tages wegen. Er und Bellona lebten tief im Wald, völlig isoliert, nur sie beide. Für den Jungen zeigte sich der Lauf der Zeit daher am sanften Regen und am erneuten Gesang der Vögel, an der heißen Sommersonne, an fallenden Blättern und danach an Schnee und bitterer Kälte. Bellona hingegen zählte die Tage. Dass sein Geburtstag nahte, erkannte er daran, dass sie ihre Hütte allmählich für den besonderen Gast bereit machte.
    Da Bellona Unordnung nicht leiden konnte, hielt sie die Hütte stets ordentlich. Alle Reparaturen wurden ausgeführt, damit es während des Frühjahrsregens und der Sommergewitter trocken, im rauen Winter hingegen warm war. Mehr jedoch brauchte sie nicht, denn sie war ohnehin selten drinnen. In den vier Wänden glaubte sie zu ersticken, nicht atmen zu können. Oft schlief sie im Freien, wo sie sich vor der Tür in ihre Decke einwickelte.
    Der Junge hingegen schlief drinnen. Er mochte Wände, ein Dach und behagliches Dämmerlicht. Abgesehen von der Hütte war sein Lieblingsplatz eine Höhle, die er eine halbe Meile entfernt gefunden hatte. Wann immer er nichts zu tun hatte, lief er zu dieser Höhle. Dort fühlte er sich sicher. Er kam dorthin, um sich zu verstecken. Heute war er gekommen, um über seinen Geburtstag nachzudenken.
    Gestern, am Tag vor seinem Geburtstag, hatte Bellona den Boden der Hütte gefegt und mit frischen, grünen Binsen aus der Marsch ausgelegt. Sie hatte die Asche aus dem Kamin geräumt und ihn zum Fluss geschickt, wo er die beiden Holzschalen, die zwei Hornlöffel, die Essmesser und die Zinnbecher abwaschen sollte. Währenddessen hatte sie das trockene Gras aus seiner Matratze geschüttelt und verbrannt und sie dann mit frischem gestopft. Sie hatte ihr Werkzeug vom Tisch geräumt, auch die Pfeile, an denen sie gearbeitet hatte. Der Tisch war eines der drei selbst gezimmerten Möbelstücke in dem einzigen Raum der Hütte. Er war nicht besonders gut, denn seine Beine waren nicht gleich lang, so dass er wackelte. Doch sie sagte immer, sie sei schließlich eine Kriegerin, keine Schreinerin. Außerdem gab es noch einen einfachen Stuhl für sie und einen Hocker für den Jungen, für den dieser
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