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Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Titel: Das verbotene Land 2 - Drachensohn
Autoren: Margaret Weis
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Markus, mein Liebster, wir sind fast da!«, beschwor ihn Evelina mit vor Angst zitternder Stimme. »Bitte. Nur noch ein bisschen, mein Schatz.«
    Unter beschwörenden Worten zog sie ihn weiter. Er nickte und stolperte vorwärts. Rennen konnte er nicht mehr. Er brauchte bereits seine ganze Willenskraft, nur um zu gehen.
    »Es ist nicht mehr weit«, drängte sie und schob stützend ihren Arm um seine Taille.
    Müde hob er den Kopf. Direkt vor ihnen wartete die Mauer. Nur noch eine Straße überqueren, dann würden sie davor stehen. Fünfzig Schritte. Vielleicht auch hundert.
    Und dann? Er erinnerte sich daran, wie er Drachenburg betreten hatte. Er hatte auf die Stelle geblickt, durch die er gerade gekommen war, doch er hatte kein Tor gesehen, keinen Ausgang, nur harten Stein. Die Mauer ging endlos weiter, um die ganze Stadt herum. Da war kein Durchbruch, kein Fluchtweg. Ein Drache, der sich selbst in den Schwanz beißt …
    »Markus!«, rief Evelina voller Panik.
    Mühsam schüttelte er den Kopf, um wieder zu sich zu kommen, und ging einfach weiter, nur vorwärts. Er konzentrierte sich darauf, die Füße zu heben und zu senken, heben und senken.
    Die Mauer kam näher. Harter Stein, durch Feuer verschmolzen.
    Ein letztes Mal erhob er die Stimme: »Drakonas!«
    Der Name hallte durch die Dunkelheit seines kleinen Raums und kam zu ihm zurück.
    Ein Echo nach dem anderen erstarb.
    Die Straße, die an der Mauer entlangführte, war leer. Er hatte eine Flut brauner Kutten erwartet. Wenn die Mönche sie noch aufhalten wollten, mussten sie sich sputen.
    Aber warum sollten sie?, fragte sich Markus. Ich kann ohnehin nirgendwo hin und Evelina auch nicht.
    Hilflos stand er vor der Mauer. Mit allem, was in ihm war, suchte er die Wand ab. Es musste doch irgendwo einen Anhaltspunkt geben, wo der Ausgang war. Vorsichtig wagte er sich aus seinem kleinen Raum und streifte über die Mauer, so weit er sehen konnte. Mit Hilfe seiner Magie suchte er einen Sprung oder Riss im Gestein.
    Nichts.
    Er starrte die Wand an, bis die Steine vor seinen Augen zu verschwimmen begannen und er den Blick abwenden musste.
    Ein letztes Mal rief er nach Drakonas.
    Als wieder keine Antwort kam, berührte Markus die Mauer mit der Hand. Er fühlte kalten, harten Stein. Seine Hand fuhr zur nächsten Stelle, dann noch einmal weiter. Wie dumm. Alles vergeblich. Ein letzter verzweifelter Versuch, das Unabwendbare aufzuhalten.
    »Markus«, beschwor ihn Evelina. »Die Mönche …«
    Er sah sie um die Hausecke biegen. Sie kamen auf ihn zu. Einige hielten Feuer in den Händen, andere Stahl. In jedem Fall ihren Tod.
    »Sag mir die Wahrheit, Markus«, sagte Evelina ruhig. »Es gibt keinen Ausgang, oder?«
    »Ja«, antwortete er. »Es gibt keinen. Ich hatte gehofft …« Er sprach seine Hoffnung nicht aus, sondern schüttelte den Kopf.
    »Ich habe Angst«, flüsterte sie und schlang die Arme um ihn.
    »Ich auch«, gab er zu. Er drückte sie an sich.
    Da kam eine Hand aus der Mauer.
    Ungläubig starrte Markus sie an. Ich werde verrückt, dachte er. Wie diese armen Mönche.
    Die Hand verschwand. In seiner inneren Kammer stand Nem.
    »Das ist das Tor«, teilte Nem ihm mit.
    Seine blauen Augen waren die einzige Farbe in unendlicher Weiße.
    »Das Tor!«, rief Evelina. »Ich sehe es. Sieh nur, Markus!« Sie klammerte sich an ihn. »Da ist es. Direkt vor unserer Nase. Mach schon! Schnell!«
    Die Illusion zerbrach, und wie so oft, wenn man plötzlich die Wahrheit erkennt, fragte sich Markus, wie er so blind hatte sein können, die Lüge nicht gleich zu durchschauen. Und damit meinte er nicht das Tor, obwohl auch das wirklich vor ihm lag: eine einfache Holztür, deren Bretter von Eisenbeschlägen zusammengehalten wurden.
    Die Tür stand offen. Die rostigen Angeln deuteten darauf hin, dass sie Jahrhunderte nicht mehr bewegt worden war. Sie hatte einfach vor sich hin rosten dürfen.
    Hinter dem Tor lag der Wald und dahinter der Fluss. Niemand versperrte ihnen den Weg, weder Mönche noch der Drache.
    Markus sah zurück in den kleinen Raum.
    »Pass auf sie auf«, bat Nem. Er streckte die Hand aus, keine Kinderhand mehr, sondern eine Männerhand.
    Markus berührte die Hand seines Bruders und verschwand.
    Das Tor verschwand, verschmolz mit der Mauer.
    Die Mauer verschwand, ging in der Illusion auf.
    Drachenburg war verschwunden. Für Markus war es, als hätte die Stadt nie existiert. Doch er spürte noch die feste, warme Berührung der Hand seines Bruders.

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    Nem stand vor der Mauer,
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