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Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Das verbotene Land 2 - Drachensohn

Titel: Das verbotene Land 2 - Drachensohn
Autoren: Margaret Weis
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Schönfeld, verdoppelten auf einen Schlag die Bevölkerung, füllten jedes Wirtshaus, sogar das Gästehaus der Abtei und ließen eine farbenfrohe Zeltstadt entstehen. Die bunten Marktstände auf dem frischen Grün konkurrierten mit den Frühlingsblumen. Ihre Händler lockten die Kinder mit klebrigen Süßwaren, die Männer mit ähnlich verführerischen Glücksspielen. Kaufleute reisten mit ihren Waren in Booten auf dem Aston an oder zogen mit Maultieren über Land, die von Seidenhandschuhen bis hin zu zahmen Äffchen einfach alles schleppten.
    Nem und Bellona besaßen kein Maultier. Einen solchen Luxus konnten sie sich nicht leisten. Stattdessen luden sie ihre Pelze in einen Handkarren, um sich auf den vierzehntägigen Marsch nach Schönfeld zu begeben. Sie kamen nur mühsam voran, denn sie mussten den Karren durch den Wald transportieren, in dem sie wohnten, immer den Pfad entlang, den Bellona in die Wildnis geschlagen hatte. Diesen Weg nahm nie jemand, denn Bellona wünschte keinen Besuch und hatte ihre Hütte so tief im Wald errichtet, dass nur ein äußerst hartnäckiger Mensch je dort auftauchen würde. Da sie den Weg auch nur zweimal im Jahr benutzten, für den Frühlingsjahrmarkt und für den im Herbst, war er dicht überwuchert und schwer befahrbar.
    Manchmal standen sie plötzlich vor einem umgestürzten Baum. Wenn sie diesen nicht bewegen konnten, mussten sie entweder den schweren Karren über das Hindernis hieven oder ihn durch die Büsche zerren. Diese undankbare Aufgabe erforderte die Kräfte beider, einer schob, der andere zog. Für einen Sechsjährigen war Nem ungewöhnlich stark und erledigte seinen Teil an der harten Arbeit. Deshalb hatte er schlecht widersprechen können, als Bellona gesagt hatte, dass sie ihn bräuchte.
    Als sie den Wald verließen, kamen sie auf die Reichsstraße. Dort kamen sie leichter voran, denn diese Straße war gut gepflegt. Bellona konnte den Karren ziehen und forderte Nem auf einzusteigen. Wenn er zwischen den Pelzen hockte, fiel seine Missbildung nicht so auf. Nem konnte auf seinen Tierbeinen zügig gehen und noch schneller rennen, doch er hatte einen seltsamen, federnden Gang, der Fremde stehen bleiben ließ und zum Starren oder zu frechen Bemerkungen verleitete. Und wenn Nem zu lange lief, bohrten sich die scharfen Krallen seiner Schuppenfüße durch die Sohlen seiner Stiefel. Wenn andere Reisende leuchtend weiße Krallen anstelle von rosa Zehen sehen würden, würden sie nicht nur hinstarren. Sie würden Nem als Dämon beschimpfen und augenblicklich erschlagen. Das jedenfalls hatte Bellona dem Kind erzählt.
    So half er nun Bellona, den Karren durch den Wald zu zerren und zu schieben. Diese mühselige Aufgabe kostete sie volle zwei Tage. Die meiste Zeit schwiegen sie. Nur gelegentlich gab ihm Bellona einen Befehl oder fluchte wütend in sich hinein. Nem war ihr Schweigen gewohnt. Inzwischen zog er es sogar vor, denn es gestattete ihm, sich in seine »Denkhöhle« zurückzuziehen. Jetzt allerdings hatte er Hemmungen, dorthin zu gehen. Die gestrige Erfahrung, als der Drache in sie eingedrungen war, war zu schrecklich gewesen. Deshalb mied er diesen Rückzugsort. Da ihm nichts anderes einfiel, empfand er die Reise durch den Wald als lang und eintönig.
    Daher war er froh, als sie die Straße erreichten, die wenigstens ein wenig Ablenkung bot. Wenn jemand stehen blieb und ihn anstarrte, sobald er neben dem Karren herlief, konnte er zurückstarren. Manchmal taten sie ihm den Gefallen, beschämt zu erröten und die Augen abzuwenden. Hier gab es viel zu sehen, worüber er sich Gedanken machen konnte. Bären mit eisernen Halsbändern und Ketten tappten neben ihren Besitzern her. Edelmänner in prächtigen Kleidern ritten vorbei, auf der Hand Falken mit Lederhauben über dem Kopf, die hin und wieder ausfliegen durften. Ihre Damen folgten ihnen in Sänften oder auf feinen Zeltern. Sie lachten und sangen und erfüllten die Luft mit ihren Parfüms. Ein Kesselflicker, in dessen Wagen die Töpfe nur so klapperten, ratterte an ihnen vorbei. Auch eine Gruppe Mönche wanderte die Straße entlang. Sie hielten den Kopf gesenkt und die Augen am Boden, damit sie nicht versehentlich eine Frau anschauten. Sogar eine kleine Zirkustruppe rollte mit grellbunten Wagen dahin und zog durch Trommeln und lautes Blasen in eine verstimmte Trompete alle Aufmerksamkeit auf sich.
    Der eine oder andere Reisende rief Bellona einen Gruß zu, doch sie antwortete nie, schaute die anderen nicht einmal an.
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