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Das unvollendete Bildnis

Das unvollendete Bildnis

Titel: Das unvollendete Bildnis
Autoren: Agatha Christie
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verschaffen. Sie geht ins Haus, holt aus dem Eisschrank eine Flasche und bringt sie ihm hinunter. Sie schenkt ihm das Bier ein, reicht ihm das Glas, er trinkt es aus und sagt: ‹Heute schmeckt alles miserabel›.
    Mrs Crale geht ins Haus zurück. Beim Mittagessen benimmt sie sich ganz normal. Es wurde zwar gesagt, sie habe ein bisschen bekümmert und nachdenklich ausgesehen, aber das will nichts heißen, das wäre kein Beweis, dass sie einen Mord begangen hatte. Es gibt ruhige Mörder und aufgeregte Mörder. Nach dem Essen geht sie wieder hinunter zur Schanze. Sie entdeckt die Leiche ihres Mannes und verhält sich so, wie man es erwarten kann: Sie ist im Moment von Schmerz überwältigt, und sie schickt die Gouvernante fort, damit diese telefonisch einen Arzt ruft. Und nun kommen wir zu einer Tatsache, die bisher unbekannt war.»
    Er blickte Miss Williams an.
    «Haben Sie etwas dagegen?»
    Miss Williams, die erblasst war, antwortete:
    «Ich habe Sie nicht zum Schweigen verpflichtet.»
    Ruhig berichtete Poirot, was die Gouvernante gesehen hatte.
    Elsa Dittisham richtete sich auf, starrte die schmächtige Frau in dem großen Sessel an und fragte ungläubig:
    «Das haben Sie tatsächlich gesehen?»
    Philip Blake sprang auf und rief:
    «Das ist doch der endgültige Beweis!»
    Poirot blickte ihn an und entgegnete sanft:
    «Nicht unbedingt.»
    Angela Warren sagte scharf: «Das glaube ich nicht!», und bedachte ihre ehemalige Gouvernante mit einem feindseligen Blick.
    Meredith Blake zupfte bestürzt an seinem Schnurrbart.
    Miss Williams zeigte sich von dem allen völlig unbeeindruckt. Kerzengerade saß sie da und erklärte:
    «Das habe ich gesehen.»
    «Natürlich haben wir nur Ihr Wort dafür…», sagte Poirot langsam.
    «Ich bin nicht daran gewöhnt, Monsieur Poirot, dass an meinen Worten gezweifelt wird.»
    Poirot machte eine leichte Verbeugung und entgegnete:
    «Ich zweifle ebenfalls nicht an Ihren Worten, Miss Williams. Was Sie sahen, wird sich genau so zugetragen haben, wie Sie es schilderten, und gerade das war für mich der endgültige Beweis, dass Caroline Crale nicht schuldig ist, nicht schuldig sein kann.»
    Zum ersten Mal ergriff nun der junge John Rattery das Wort und fragte:
    «Ich möchte gern wissen, wieso das für sie spricht, Monsieur Poirot.»
    «Das will ich Ihnen sagen. Miss Williams sah, dass Caroline Crale sorgfältig und ängstlich Fingerabdrücke abwischte und dann die Hand ihres toten Mannes auf die Bierflasche presste… auf die Bierflasche, wohlgemerkt. Aber die Giftspuren waren im Glas, nicht in der Flasche. Die Polizei hat keine Giftspuren in der Flasche gefunden – in der Flasche war also nie Koniin gewesen. Doch Car o line Crale wusste das nicht. Sie, die ihren Mann vergiftet haben sollte, wusste nicht, wie er vergiftet worden war. Sie dachte, das Gift wäre in der Flasche.»
    Meredith Blake wandte ein:
    «Aber warum…»
    Poirot unterbrach ihn sofort:
    «Ja, warum? Warum versuchte Caroline Crale so verzweifelt, diese Selbstmordtheorie aufzustellen? Weil sie wusste, wer ihren Mann vergiftet hatte, und weil sie alles tun wollte, alles erdulden wollte, damit dieser Mensch nicht verdächtigt würde. Wir brauchen nicht weit zu suchen. Wer konnte dieser Mensch sein? Hätte sie Philip Blake schützen wollen? Oder Meredith? Oder Elsa Greer? Oder Cecilia Williams? Nein. Es gibt nur einen Menschen, den sie um jeden Preis schützen wollte.» Er hielt inne und sagte dann:
    «Miss Warren, ich möchte gern den Brief Ihrer Schwester vorlesen.»
    Angela Warren erwiderte: «Nein!»
    «Aber Miss Warren…»
    Angela stand auf und sagte mit eiskalter Stimme: «Ich weiß genau, was Sie behaupten wollen. Sie meinen doch, dass ich Amyas Crale umgebracht habe und dass meine Schwester es gewusst hat. Ich weise diese Behauptung energisch zurück.»
    Poirot erwiderte: «Der Brief…»
    «Der Brief war nur für mich bestimmt.»
    Poirot blickte zu den zwei jungen Menschen hinüber, die nebeneinander standen. Carla Lemarchant sagte:
    «Bitte, Tante Angela, tu das, worum Monsieur Poirot dich bittet.»
    Angela entgegnete bitter:
    «Aber Carla! Hast du überhaupt kein Gefühl für Anstand? Sie ist deine Mutter… du…»
    Mit fester Stimme rief Carla:
    «Jawohl, sie ist meine Mutter! Darum habe ich das Recht, es von dir zu verlangen. Ich spreche für sie. Ich verlange, dass der Brief vorgelesen wird!»
    Langsam zog Angela den Brief aus der Tasche, reichte ihn Poirot und sagte scharf:
    «Ich wünschte, ich hätte ihn
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