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Das unsichtbare Grauen

Das unsichtbare Grauen

Titel: Das unsichtbare Grauen
Autoren: Spencer Spratt
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Anwesenheit wußte.
      Sie hatte die Tube mit der Magnetstaubpaste in der linken Hand. Mit der Rechten hielt sie ihre Handtasche. Und zwar so ungeschickt, daß ein Teil des Inhalts direkt vor der Zimmertür zu Boden fiel.
      Sandra schimpfte leise vor sich hin und kauerte nieder, um die Sachen aufzusammeln. Dabei drückte sie einen langen Streifen der Paste im Zickzack unmittelbar vor die Tür. Dann richtete sie sich wieder auf.
      Es klopfte. Das war das Mädchen mit dem Frühstück. Sandra nahm ihr das Tablett an der Tür ab, so daß sie nicht hereinkommen mußte. Sie stellte das Tablett auf den Tisch, trank ein paar Schluck Kaffee und nahm ein wenig Toast mit Marmelade - das alles in weniger als einer Minute. Dann verließ sie das Zimmer. Dabei achtete sie sorgfältig darauf, daß sie nicht in die Paste trat.
      Sie hielt sich fast 10 Minuten am Zeitungsstand in der Hotelhalle auf, blätterte in Modejournalen und Magazinen und kehrte in ihre Suite zurück, jedoch nur, um ihre dort »vergessenen« Handschuhe zu holen. Dabei stellte sie unauffällig fest, daß jemand in die Paste an der Tür getreten war. Es war nur der Teil eines Schuhabdruckes, so daß man nicht erkennen konnte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Aber das war jetzt auch zunächst ohne Bedeutung.
      Sandra King hob den linken Arm, als wolle sie zur Uhr sehen. Dabei schaltete sie den Miniempfänger auf Wellenlänge 0.1b. Sowie sie den Arm senkte, ertönte ein leises, aber deutliches Piepen. Das war die Magnetstaubpaste, die sie vor der Tür auf den Boden gebracht hatte. Aber als sie den Hotelkorridor entlang ging, setzte sich auch das Piepen fort, und zwar in Richtung Treppe. Die unsichtbare Person war also klug genug gewesen, nicht den Lift zu benützen. Es wäre zu auffällig erschienen, wenn sich der Lift im Parterre geöffnet hätte und niemand ausgestiegen wäre.
      Sandra King ging ebenfalls die Treppe hinunter. Das Piepen ihres Miniempfängers begleitete sie und bewies ihr Zweierlei: daß die unbekannte Person sich ganz offensichtlich hier im Hotel auskannte -und daß diese unbekannte Person nicht daran interessiert war, sie zu verfolgen, sondern einem anderen Ziel zustrebte.
      Die Spur führte quer durch die Hotelhalle auf die Straße. Sie mochte etwa acht Minuten alt sein. Das konnte Sandra King aus der Intensität des Suchgeräusches entnehmen. Es bestand also keine Gefahr, daß die unsichtbare Person ihre Verfolgerin bemerken konnte.
      Wer Sandra King sah, mußte annehmen, daß hier eine elegante junge Engländerin beim Einkaufsbummel durch Zürich schlenderte. Keinem Menschen fiel auf, daß sie ihren linken Arm ein wenig erhoben trug. Wer sollte auch wissen, daß sie angestrengt auf die Suchgeräusche des Miniempfängers hörte. So ging es in Richtung Innenstadt.
      Auffällig für Sandra war es, daß die unbekannte, unsichtbare Person ein bemerkenswertes Interesse für Moden zeigte. Fast vor jeder eleganten Auslage in der Bahnhofstraße zeigte der Miniempfänger an, daß die Person hier kurz verweilt hatte und dann erst weitergegangen war. Sandra King war darum so gut wie sicher, daß sie eine unbekannte Person weiblichen Geschlechts verfolgte, was die Sache nicht weniger rätselhaft machte.
      Die Spuren führten weiter zum Limmatkai und dann in eine der Altstadtgassen. Sandra King folgte ihnen unermüdlich. Dann stand sie plötzlich vor einem Schaufenster voll bunter Plakate. »Besuchen Sie England!« riefen ihr grelle Lettern entgegen. Aber nicht das interessierte sie, sondern die Tatsache, daß ihr Miniempfänger besonders laut und ausdauernd piepte. Die unsichtbare Person war hier stehengeblieben. Und dann - Sandra King hielt den Atem an - hatte die Unsichtbare das kleine Reisebüro betreten. Nein, nicht die Unsichtbare! Es wurde Sandra King mit einem Mal klar, daß die Person, die sie verfolgte, gar nicht mehr unsichtbar sein konnte. Unsichtbare gingen nicht in Reisebüros, um eine Auskunft zu erfragen oder eine Fahrkarte zu kaufen!
      Sandra King setzte alles auf eine Karte. Sie betrat den kleinen Laden. Ein ältliches Mädchen lächelte ihr mit schmalen Lippen zu. Sandra reagierte mit etwas verkniffenem Mund und sagte scheinbar außer Atem: »Zu dumm, da hab ich meine Schwester doch glatt verpaßt. Sie muß vor wenigen Minuten hier gewesen sein.«
      »Ja, sie war hier«, bestätigte die ältliche. »Sie hat ihr Flugticket wie jede Woche abgeholt.«
      »Natürlich«, sagte Sandra King. »Wie jede
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