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Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)

Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)

Titel: Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)
Autoren: Stefan Seitz
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nicht durch die Westlichen Sümpfe.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, er fließt in den Finsterwald hinein. Zumindest haben wir das in der Schule gelernt.«
    »Bist ein kluges Bürschchen, wie mir scheint«, flüsterte Primus, »und aufmerksam obendrein!« Er hatte nicht damit gerechnet, dass dieser Fehler einem der Kinder aufgefallen war.
    »Ja weißt du, mein Schatz …«, sagte die Frau. »Die Geschichte ist schon sehr, sehr alt. Sie stammt noch aus den Tagen lange vor Lebzeiten meiner Urgroßmutter. Und vielleicht gab es ja damals einen Wasserlauf, der vom Schneckenbach weg in die Sümpfe führte, wer weiß?! In Hunderten von Jahren ist schließlich vieles möglich. Jetzt aber macht eure Äuglein zu.« Sie lächelte die Kinder noch einmal an und schloss knarrend die Tür.
    Daraufhin entfernten sich ihre Schritte.
    Primus blickte ins Leere. In seinem Kopf schossen die Gedanken umher. Dabei war es nicht der mysteriöse Bach, der ihn beschäftigte, und auch nicht die für einen Sumpf so unpassenden schwarzen Kiesel. Nein, etwas ganz anderes hatte seine Aufmerksamkeit erregt!
    Von draußen ertönte nun dumpf das Läuten der Kirchturmglocken.
    Ein wenig träge raffte Primus sich auf. Er breitete seine Flügel aus und glitt lautlos von seinem Versteck ins Zimmer hinunter. Keines der Kinder hatte den Luftzug gespürt, der durch den Raum strich. Unbemerkt kroch Primus unter den Vorhang, kletterte an diesem empor und stahl sich durch das Loch in der Fensterscheibe nach draußen. Der Mond strahlte jetzt hell auf die Häuser und der Nebel hatte sich mittlerweile ein wenig verzogen. Primus griff nach einem kleinen Stoffbündel, das er vor seinem Besuch auf dem Fensterbrett abgelegt hatte, und flatterte in Gedanken versunken über die Felder in Richtung Finsterwald.
    Währenddessen lag der kleine Junge noch immer mit offenen Augen im Bett. Die Geschichte der alten Großmutter wollte ihn einfach nicht loslassen. Er drehte sich auf die Seite und blickte zu seiner kleinen Schwester hinüber.
    »Tinchen«, sagte er zu ihr, »schläfst du schon?«
    Die Kleine grummelte leise.
    »Weißt du vielleicht, vor wem der Nebel die beiden Mädchen beschützen sollte?«, fragte er.
    Doch er erhielt keine Antwort. Das Mädchen war bereits eingeschlafen. Nachdenklich zog er daraufhin die Decke über seine Ohren und rollte sich ein. Gleich morgen früh, so dachte er, würde er Großmutter danach fragen.

Das Licht vor dem Spiegel
    M it dem Bündel in seinen Krallen flatterte Primus über die Felder. Leider hatte es heute in der Konditorei keine Sonnenblumenkerne mehr gegeben, weshalb er für Bucklewhee zur Abwechslung eine Handvoll Sesamkörner eingepackt hatte. Bucklewhee, das kleine intellektuelle Hühnergerippe aus Primus’ Standuhr, spielte zwar meist den großen Feinschmecker, freute sich aber trotzdem immer über die Knabbereien, die Primus ihm von seinen Ausflügen mitbrachte. Am liebsten mochte er Rosinen und zerstückelte Walnüsse. Nur Kürbiskerne durfte man Bucklewhee nicht mehr anbieten, nachdem sich der Gockel einmal fürchterlich an einem der Kerne verschluckt hatte. Selbst Wochen später musste sich Primus die Leidensgeschichte des kleinen Gerippes immer wieder aufs Neue anhören, und Bucklewhee war jedes Mal empört, wenn Primus dabei einen unaufmerksamen Eindruck machte.
    Wenig später tauchte der Distelpfad unter ihm auf. Primus ging tiefer und flatterte an aufgerichteten Heubüscheln vorbei nach Süden. Der Mond stand hoch am Firmament, als Primus die letzten Nebelschleier hinter sich ließ. Vor ihm lag der Finsterwald. Im Licht der Nacht huschte er zum Waldrand hinüber, wo er schon bald jene Stelle erreichte, an der sich die knorrigen Bäume wie eine Pforte über den Distelpfad krümmten. Von dort führte der Weg ins Dunkel hinein.
    Im Gegensatz zur übrigen Landbevölkerung zeigte sich Primus von dieser Finsternis wenig beeindruckt. Als Fledermaus besaß er die Fähigkeit, sich, wenn es darauf ankam, in beinahe völliger Dunkelheit orientieren zu können. Davon einmal abgesehen kannte er die Strecke natürlich mittlerweile in- und auswendig. In den letzten zweihundert Jahren war er sie so oft geflogen, dass er den Weg durch den Wald wahrscheinlich sogar rückwärts und im Halbschlaf gemeistert hätte.
    Er folgte dem Pfad über Buckel und durch Gruben, flog unter umgestürzten Bäumen hindurch und stieß immer weiter ins Waldesinnere vor. Die Luft war kühl und angenehm frisch. Überhaupt, im ganzen Wald roch es so gut
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