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Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)

Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)

Titel: Das Unkrautland, Band 2: Das Geheimnis der Schwarzen Hütte (German Edition)
Autoren: Stefan Seitz
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diesem Märchen fielen nicht nur den jungen Zuhörern auf, denen es erzählt wurde. Noch jemand anderes war zugegen, der aus einer dunklen Ecke heraus lauschte …
    »So schnell ihre Füße sie trugen, liefen die Mädchen auf den Lichtschimmer zu«, drang es aus dem Fenster. »Es würde bestimmt nicht mehr lange dauern, so dachten sie, und sie wären wieder zu Hause. Den beiden war kalt und auch der Hunger quälte sie sehr. Das Lagerfeuer, das sie in der Ferne zu sehen glaubten, wirkte so anziehend und wunderbar einladend zugleich, es schien ihnen die letzte Rettung zu sein. Hei, wie es flackerte und lichterloh züngelte. Gewiss konnten sie sich im Schein der Flammen ein wenig ausruhen und ihre verfrorenen Füße wärmen. Vielleicht hatten sie ja auch Glück und sie würden etwas zu essen bekommen?! So hasteten die zwei über Äste und Wurzeln, huschten durch das Gebüsch und folgten dem rötlichen Licht, ohne es auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen. Aber wisst ihr, liebe Kinder«, flüsterte die Stimme, »genau das war ihr Fehler!«
    Für eine kurze Zeit herrschte Stille. Dann ging die Geschichte weiter. »Denn bei diesem Lichtschimmer, von dem ich euch heute berichten will, handelte es sich keineswegs um ein knisterndes Lagerfeuer, wie sich sehr bald herausstellen sollte. Es war auch kein gewöhnliches Licht, so wie ihr es von einer Laterne oder einer Fackel her kennt. Dieses Licht war ein Irrlicht! Eines der vielen bösartigen Gespenster, die im Wald ihr Unwesen treiben.«
    »Was machen denn diese Irrlichter?«, fragte eine andere Stimme.
    »Oh, in der Tat eine ganze Menge. Vor allem treiben sie Schindluder und machen schlechte Scherze. Irrlichter sind heimtückische Waldgeister. Verführerisch leuchtende Trugbilder. Sie bringen euch vom Weg ab, verleiten euch dazu, die Pfade zu verlassen, und führen euch schließlich ins Nichts. So war es auch bei diesem hier. Immer tiefer lockte es die Mädchen in den Wald hinein und immer wieder ließ es sich neuen Schabernack einfallen. In der Hinsicht sind alle Irrlichter gleich. Keines von ihnen ist besser als das andere, da beißt die Maus kein’ Faden ab.«
    Das Zimmer hinter dem kaputten Fenster des Fachwerkhauses war eng, aber gemütlich. Es bot gerade einmal genügend Platz für einen Schrank, einen Lehnstuhl und drei kleine Betten. An den schiefen Wänden, die sich bis in den Dachstuhl erhoben, hingen Kinderbilder und zahlreiche Büschel getrockneter Kornblumen. Ja, sogar das Fenster war liebevoll verziert, wobei hier vor allem Girlanden aus taufrischem Knoblauch baumelten. Es gab Spielzeug, Musikinstrumente und mehrere Stapel Bücher. Das gesamte Zimmer war erfüllt vom starken Geruch einer Petroleumlampe. Diese stand auf dem Holzboden neben der Tür und richtete ihr Licht auf drei kleine Kinder, die voller Spannung in ihren Betten kauerten.
    Die beiden Jungen und das Mädchen hatten die Federdecken bis über die Nasen gezogen. Regungslos blickten sie auf die rundliche Großmutter, die im Nachthemd vor ihnen im Lehnstuhl saß. Die alte Frau trug einen gestreiften Wollschal, mit Pelz gefütterte Pantoffeln und eine große, aufgeplusterte Schlafhaube. Das Licht der Lampe spiegelte sich in ihrer Nickelbrille, während sie in belehrender Manier das Kinn hob.
    »Denn plötzlich …«, fuhr sie mit einem Fingerschnippen fort, »mit einem Mal … war das Irrlicht verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Hexerei und Teufelswerk! Die beiden Mädchen im Wald umklammerten einander. Schlotternd blickten sie sich um, stellten sich auf die Zehenspitzen und starrten hilflos durch die Dunkelheit. Längst wussten sie nicht mehr, wo sie waren, geschweige denn, welche Richtung sie hätten einschlagen sollen. Nur eines war ihnen in diesem Augenblick gewiss: Von zu Hause hatten sie sich jetzt weiter entfernt als jemals zuvor.«
    Die Frau stieß ein Seufzen aus. »Da standen sie also und guter Rat war teuer. Von den Bäumen erklang der Schrei einer Eule und nur zaghaft schien der Mond durch die Baumkronen. Was sollte jetzt aus ihnen werden? Hier im Wald wollten sie nimmermehr bleiben.«
    Die Großmutter bewegte bedrohlich die Finger. »Das Unterholz um sie herum war erfüllt mit allerlei fremdartigen Geräuschen«, flüsterte sie. »Es knisterte und knackte, dass ihnen angst und bange wurde. Sie wussten, dass sie den Wald um jeden Preis wieder verlassen mussten, bevor noch Schlimmeres passieren würde. Also nahmen sie ihren ganzen Mut zusammen und machten sich auf den
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