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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus
Autoren: Alfred Weidenmann
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versucht, Falschgeld zu fabrizieren, und war dabei geschnappt worden, bevor er auch nur eine einzige Blüte losgeworden war. Darüber konnte man nur lachen.
    »Immer rein in die gute Stube«, sagte der Kriminalkommissar. Die gepolsterte Tür zu seinem Büro stand offen. Er ging mit seinem Plastikbecher in der Hand voraus, und Hugo Stielicke trabte hinter ihm her.
    »Zuerst das Übliche«, bemerkte Jascheck. Er holte ein Buch aus seiner Schreibtischschublade, blätterte es auf, stempelte das heutige Datum hinein und ließ seinen Besucher daneben unterschreiben.
    »So, damit hätten wir’s dann«, meinte der Kommissar und klappte das Buch wieder zu. »Jetzt sind Sie endgültig frei wie ein Vögelchen. Wie fühlen Sie sich?«
    »Dazu kann ich im Augenblick beim besten Willen nichts sagen«, erwiderte Stielicke. »Zuerst muß ich jetzt meine Gedanken sortieren.«
    »Aber, grundgütiger Himmel, kommen Sie dabei ja nicht wieder auf irgendwelche hirnverbrannte Ideen«, mahnte Jascheck. »Krumme Dinger lohnen sich nicht, das müßten Sie inzwischen begriffen haben.« Er nahm einen Schluck aus dem Kaffeebecher. »Das schmeckt tatsächlich wie Spülwasser«, stellte er fest und gab dem weißhaarigen Mann, der wie ein Gelehrter aussah, die Hand. »Alles Gute, und vergessen Sie keine Minute, was passiert, wenn irgendwo der nächste falsche Geldschein auftaucht.« Er feixte und strahlte aus allen Knopflöchern. »Dann rückt Ihnen die Polizei so blitzschnell auf die Bude, daß es staubt.«
    Eine Viertelstunde später bummelte Hugo Stielicke über den Tauentzien. Vor dem Europa Center wimmelte es nur so von bunten Sonnenschirmen, und aus der Richtung der Gedächtniskirche kamen immer wieder schubweise Autos und unter ihnen die doppelstöckigen Berliner Busse.

    Seit man ihn aus dem Knast rausgelassen hatte, lebte Stielicke seelenruhig wie ein Rentner, der keine Sorgen hat und dem es gutgeht. Allerdings langweilte er sich gelegentlich.
    Er kannte inzwischen fast alle Museen in- und auswendig, den Zoo, das Aquarium, sämtliche Freibäder und den ganzen Grunewald. Vor dem Café Kranzler am Ku’damm saß er manchmal stundenlang bei Käsekuchen oder Erdbeertorte mit Sahne. Dann las er Zeitung, beguckte sich die vorbeispazierenden Berliner oder blinzelte auch nur in die Sonne. Bei Regen konnte er eine halbe Ewigkeit vor der Waschmaschine sitzen und zuschauen, wie sich seine Unterhosen oder Hemden drehten. Manchmal lag er auch einfach auf seinem Sofa, fing Fliegen und hing seinen Gedanken nach.
    Die zwei Jahre in der Strafanstalt Tegel waren alles andere als ein reines Vergnügen gewesen. Aber er hatte sich keinen Moment lang einsam oder gar verlassen gefühlt wie die meisten anderen Häftlinge, um die sich kein Aas gekümmert hatte.
    Das war bei ihm anders gewesen.
    Hugo Stielicke hatte seinerzeit das Falschgeld natürlich nicht als Solist produziert. Sie waren ein gut organisiertes »Orchester« gewesen, mit Spitzenkräften und einem sehr cleveren »Dirigenten«, der Nerven wie Drahtseile haben mußte und ein Köpfchen wie Einstein. Aber keiner von ihnen hatte ihn je gesehen, und niemand ahnte, wer der große Unbekannte war. Er hatte sich nie gezeigt. Man kannte von Anweisungen per Telefon oder per Tonband lediglich seine Stimme, eine unverwechselbare Stimme übrigens, tief, verraucht und immer so unbeteiligt wie eine kalte Hundeschnauze. Weil dieser Mensch auch keinen Namen hatte, erfanden sie einen für ihn. Zuerst hieß er einfach nur »Chef«. Später tauften sie ihn um und nannten ihn »Mandarin«. Nicht einer hätte hinterher sagen können, wie es zu dieser Namensgebung gekommen war. Aber sie blieb, was doch wohl bedeutet, daß sie zu der Stimme paßte wie ein hautenger Handschuh.
    Als die Falschgeldsache vor nunmehr zweieinhalb Jahren wie aus heiterem Himmel aufgeflogen war, hatte der »Mandarin« den größten Teil seiner Organisation noch im allerletzten Augenblick warnen können. Sie hatte sich wie aufgescheuchte Ameisen von einem Augenblick zum anderen verkrümelt, und er selbst war vorübergehend in einem Schwarzwaldsanatorium als Patient auf Tauchstation gegangen.
    Hugo Stielicke war im entscheidenden Augenblick unerreichbar gewesen. Man hatte ihn im fahrenden Intercity zwischen Frankfurt und Berlin aus dem Schlafwagenabteil heraus verhaftet. Ausgerechnet ihn, die Seele des Unternehmens. Als phänomenal begabter Grafiker, Graveur und Galvaniseur genoß er inzwischen den Ruf eines Universalgenies, das sich auch in den
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