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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus
Autoren: Alfred Weidenmann
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werden, daß dann der ganze Schwindel mit der optal ag auffliegt und jetzt auch auf die so überstürzt abgereisten Vertreter Jagd gemacht wird. Jedenfalls ist die Polizei aufgeschreckt, fahndet durch die Gegend und schnappt vielleicht den einen oder anderen...«
    »Die Männer in dem blau-weißen Wohnmobil beispielsweise«, warf Karlchen Kubatz ein. »Aber selbst wenn sie ihren Boß verraten wollten, sie könnten es gar nicht, weil sie lediglich seine Stimme kennen...«
    »Und die Polizei hat überhaupt nichts in der Tasche«, ergänzte Sputnik. »Das jedenfalls meint Wildenbusch noch immer und muß davon überzeugt sein, daß er augenblicklich nirgends sicherer ist als in seinem Zeitungskiosk am Richard-Wagner-Platz.«
    Studienrat Dr. Purzer zog nachdenklich die Augenbrauen hoch, erwiderte aber nichts. Als er wieder seinen Tisch vor der Wandtafel erreicht hatte, meinte er: »Na ja, wie das Leben manchmal spielt...« Er blickte über den Rand seiner Brille in die Klasse, dann warf er die wieder zusammengefaltete Zeitung auf seinen Stuhl. »Vermutlich habt ihr es noch gar nicht bemerkt«, sagte er in einem veränderten Ton, »aber ich bin vorhin mit euren Zeugnisheften in die Klasse gekommen. Meine Bad Rittershuder Nachrichten dürften euch abgelenkt haben.«
    Die 9 b wurde schlagartig still.
    Dr. Purzer schob die Hefte sehr behutsam in die Mitte seines leeren Tisches. Er ordnete den Stapel mit den Fingerspitzen, bis sich Seitenflächen und Ecken haargenau deckten.
    »Das wäre es also«, sagte er, betrachtete sein Kunstwerk mit schrägern Kopf, schien mit sich zufrieden zu sein und blickte wieder zu seinen Schülern. »Ein halbes Jahr mehr oder weniger Schufterei, manchmal Ängste und gelegentlich auch Spaß, wie ich hoffe«, meinte der Studienrat. »In diesen schmalen Heften hat sich alles versammelt.« Er spazierte wieder durch die Tischreihen. »Volle sechs Monate, reduziert auf ein paar Noten, die kaum eine Seite füllen.« Er näherte sich seinem Lieblingsplatz an der Fensterbank bei dem Kastanienbaum. »Allerdings, es wäre ein wenig deprimierend und kläglich, wenn das alles sein würde, was übrigbleibt.« Dr. Purzer hatte sich angelehnt und verschränkte seine Arme. »Doch Zeugnisse drängeln sich eben immer in den Vordergrund...«
    »Das kann man wohl husten«, warf der dickliche Sputnik ein.
    »Aber am allerwichtigsten scheint mir«, fuhr der Lehrer fort, »daß eure Köpfe wieder mit neuem Wissen vollgestopft worden sind.« Er betrachtete seine 9 b mit belustigter Miene. »Tja, eure Entwicklung zu wertvollen Mitgliedern unserer menschlichen Gesellschaft ist nicht mehr zu bremsen.«
    Die Klasse grinste, aber gleichzeitig schielte sie auch immer wieder zu dem sorgfältig aufgeschichteten Stapel hinüber.
    »Alle sind versetzt und haben das Klassenziel erreicht«, ließ sich der Studienrat weiter vernehmen. »Bis auf einen...«
    Die 9 b hielt jetzt den Atem an.
    »Bis auf einen«, wiederholte Dr. Purzer. »Da ist die Sache noch fraglich und hängt in den Wolken.«
    Man äugte verstohlen zu Manuel Kohl hinüber, und der Junge mit den großen blauen Augen, und der frechen Stupsnase ließ bereits die Schultern hängen.
    »Pardon, es war nicht meine Absicht, euch zu beunruhigen«, beeilte sich der Studienrat zu bemerken. »Nicht der Schüler Manuel Kohl ist gemeint«, sagte er und fügte hinzu: »Obgleich mir sein wundersamer Endspurt in Mathematik noch immer ein wenig schleierhaft bleibt.« Er stieß sich von der Fensterbank ab und nahm erneut seine Wanderung durch die Tischreihen auf. »Ich spreche von mir«, meinte er überraschend. »Von meiner eigenen, bescheidenen Person. Und ich denke dabei an eine gewisse englische Schule jenseits des Ärmelkanals, in der es auch Zeugnisse für Lehrer geben soll, was ihr euch einmal zu behaupten erkühnt habt.«
    Die Klasse hatte zuerst verwundert gestutzt.
    Doch jetzt bekam sie wieder Oberwasser, atmete auf und fing an zu grinsen.
    »Aber glücklicherweise hat sich in diesem Punkt an unserer ehrwürdigen Schulordnung von 1885 noch nichts geändert, und es kann...«
    »Dann ist sie ja erst hundert Jahre alt«, platzte Karlchen Kubatz heraus.
    »... und es kann mir schnurzegal sein«, fuhr der Studienrat unbeirrt fort, »ob ich in euren Augen eine Zwei kassiere, drei Vieren oder ob ich gar durchgerasselt bin.«
    Die Klasse scharrte jetzt mit den Schuhen, klatschte mit flachen Händen auf die Tische und brach in Gelächter aus.
    Da knotete Emil Langhans umständlich seine
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