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Das unheimliche Haus

Das unheimliche Haus

Titel: Das unheimliche Haus
Autoren: Alfred Weidenmann
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hatte, war Dr. Purzer aufmerksam geworden.
    »Ich bin fertig«, flüsterte Karlchen, als er vor dem Studienrat stand. Er machte eine Kopfbewegung zu einem Tisch hinüber, auf dessen Mitte das zugeklappte Heft lag. »Aber leider müßte ich dringend...« Er stockte und schaffte es tatsächlich, einen knallroten Kopf zu bekommen.
    Die Glorreichen Sieben waren sich selbstverständlich darüber im klaren gewesen, daß ausgerechnet Dr. Purzer keinen Schüler vor Stundenschluß aus dem Zimmer ließ. Nur wenn Karlchen seine Klassenarbeit früher ablieferte, hatte er überhaupt eine Chance.
    Deshalb hatte der Junge auch von der ersten Minute an losgelegt, als ginge es darum, einen Computer unter den Tisch zu rechnen — auf die Gefahr hin, daß ihm da oder dort ein Fehler unterlief.
    »Und du kannst es nicht bis zum Ende der Stunde zurückhalten?« fragte der Studienrat. Auch er sprach im Flüsterton, die Fingerspitzen aneinandergelegt und den Jungen mit dem geröteten Gesicht voll im Blick.
    »Mit dem besten Willen nicht«, wagte Karlchen Kubatz zu bemerken. »Und es wäre auch außerordentlich ungesund.«
    Ein Teil der Schüler quittierte die Bemerkung mit einem gedämpften Kichern.
    Der Studienrat und Karlchen Kubatz blickten sich eine ganze Weile wortlos an.
    »Worauf wartest du noch?« fragte Dr. Purzer schließlich, und damit war die Unterbrechung für ihn beendet. Er spielte jetzt eine ganze Weile mit seiner Brille, die manchmal einen Sonnenstrahl einfing, und betrachtete dann interessiert den Gipfel des Kastanienbaums, der in diesem Jahr beinahe das obere Ende des Eckfensters erreicht hatte.
    Das ging ja leichter, als wir befürchtet hatten, dachte Emil Langhans und blickte zu Sputnik hinüber, der für einen kurzen Moment die Augen geschlossen hatte und jetzt wieder aufmachte.
    Paul Nachtigall erwartete Karlchen Kubatz, wie verabredet, im Erdgeschoß am Portal zur Amselstraße und zu den Parkplätzen. Es war ein Seitenausgang, und hier durften im Schatten des Schulgebäudes und der hohen Backsteinmauer die Mitglieder des Lehrkörpers und auch die Schüler ihre Mofas und Autos abstellen.
    Der zypressengrüne VW-Golf war schnell gefunden. Er parkte neben dem ziemlich betagten viersitzigen Mercedes von Oberstudiendirektor Senftleben und dicht bei einer Telefonzelle. Zwei Meter hinter dieser stand eine große Kiste, in der die Stadtreinigung Streusand für den Winter lagerte. Ihre schräge Oberfläche war blechbeschlagen.
    Die beiden Jungen hatten bisher noch keine Silbe miteinander gesprochen. Aber sie wußten ja haargenau, was sie zu tun hatten.
    Paul Nachtigall knackte die Sperre an der Motorhaube so gefühlvoll, daß sie sich ganz leise öffnen ließ. Wie man so etwas macht, hatte sich der Boß der Glorreichen von einem entfernten Vetter zeigen lassen, der in der Werkstatt einer Tankstelle am Ende der Herderstraße seine Brötchen verdiente. Wenn man den Trick kannte, war es ein Kinderspiel.
    Der zypressengrüne VW-Golf gehörte Studienrat Dr. Purzer.
    »Nichts Verdächtiges«, bemerkte Karlchen Kubatz leise. Er hockte hinter der Städtischen Sandkiste in Deckung und beobachtete abwechselnd die Fenster der Schule, das Gelände bei den geparkten Fahrzeugen und das Seitenportal.
    Paul Nachtigall konnte sich einigermaßen hinter der aufgeklappten Motorhaube verstecken. Er hatte sich inzwischen tief über den Kühler des Wagens gebeugt und hantierte mit zwei Schraubenschlüsseln an seinen Eingeweiden herum.
    Karlchen Kubatz wippte immer wieder nervös von den Zehenspitzen auf die Absätze, ohne es überhaupt zu bemerken. Die Luft war elektrisch geladen, und seine Hände wurden allmählich feucht. Aber trotzdem griff seine rechte Hand in die Hosentasche und krustelte die Minox heraus, die inzwischen ebenso zu ihm gehörte wie sein Bürstenhaarschnitt. Das Ding sah nach nichts aus und war nicht viel größer als zwei nebeneinandergelegte Streichholzschachteln. Karlchen schob seinen Kopf ganz vorsichtig um die Ecke der Sandkiste, dann richtete er den Apparat blitzschnell auf den Boß. »Zeig mir mal kurzfristig dein dämliches Gesicht«, zischte er.
    Tatsächlich drehte sich Paul Nachtigall um, und im selben Augenblick drückte der Bürstenhaarschnitt auf den Auslöser.
    »Ach du dicke Nuß«, seufzte der Boß, schüttelte ergeben den Kopf und verschwand wieder hinter der Motorhaube. »Du bist nicht zu retten«, bemerkte er.
    »Eines Tages wirst du mir auf den Knien danken«, entgegnete Karlchen. Er ließ den Apparat
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