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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer
Autoren: Leonora Christina Skov
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wollte gerade antworten, dass ich es auch hasste, es aber trotzdem mochte, dass es dort hing. Dass meine Mutter dort hing. Doch dann blieb mein Blick an etwas hängen. An dem Buch mit dem weißem Umschlag und der roten Schrift, das Nella in der Hand hielt. Als sie es auf meinen Schreibtisch legte, sah ich, dass es Daphne du Mauriers Rebekka war.
    »Ich habe es gelesen.«
    Sie nickte. »Ja, ich bin doch kein Idiot. Ich habe dir schließlich ein Exemplar zu Weihnachten geschenkt, als mir klar wurde, dass du nur den Film gesehen hattest, der ganz anders und schlechter endet als das Buch. Anschließend haben wir davon gesprochen, wie stark eine gewisse Person, die wir kennen, an eine gewisse Sünderin erinnert.«
    »Die du kennst.«
    »Stimmt. Doch die Sünderin hat zufälligerweise dir und nicht mir all ihre Tagebücher und ihr gesamtes Sündenregister hinterlassen. Soweit ich mich erinnere, warst du auch diejenige, die meinte, dass einem Mrs. Danvers in Rebekka ziemlich bekannt vorkommt, nicht wahr?«
    Ihre Finger trommelten ungeduldig auf den Tisch.
    »Es ist erlaubt, das Buch zu öffnen, Agnes. Es ist zwar nicht gerade Antonia von Liljenholms Korrespondenz mit Daphne du Maurier, aber zumindest ein Detail, das du in dein Nachwort aufnehmen solltest.«
    Daphne du Maurier hat nie auf Nellas Anfrage geantwortet, sodass es mich wahrlich auch gewundert hätte, wenn die Korrespondenz plötzlich aufgetaucht wäre. Ich muss unterstreichen, dass es für mich nichts Schlimmeres gibt, als wenn Nella mir vorzuschreiben versucht, was ich schreiben und einfügen soll. Doch in diesem Fall will ich eine Ausnahme machen, da sie zufälligerweise recht hat. Auf die erste Seite von Rebekka hat Daphne du Maurier nämlich in dünner blauer Tinte geschrieben:
    For Antonia
    In kind remembrance of your dear Miss Lauritsen
    With affection,
    Daphne
    »Wo hast du das Buch gefunden?«
    »Auf Frydenlund. Daphne du Maurier hat es offenbar nach Liljenholm geschickt, als es 1938 herauskam, doch da Mutter tot und Liljenholm verlassen war, hat der Postbote es stattdessen auf Frydenlund abgegeben. Hans ist ja kein großer Leser, wie du weißt, sodass er es einfach ins Regal gestellt hat, wo ich es vor Kurzem zufällig gefunden habe. Ich habe es jetzt natürlich noch einmal gelesen, aus einem neuen Blickwinkel sozusagen, und das solltest du auch, Agnes. Ich weiß nicht, ob sich Laurits sonderlich geschmeichelt gefühlt hätte, so beschrieben zu werden, doch andererseits: Wer würde sich nicht geschmeichelt fühlen, Teil eines weltweiten Bestsellers zu sein?«
    In diesem Fall müssten sich alle, die in meinem Buch vorkommen, unglaublich geschmeichelt fühlen, denn bis jetzt ist Das Turmzimmer in fünfzehn Sprachen und ich weiß nicht wie vielen Auflagen erschienen. Natürlich bevor Lilys Sympathien für das Naziregime dem Buchverkauf ein Ende bereitet haben. Ich weiß jedoch mit Sicherheit, dass vor allem Karen Hansen, geborene Kvist, sich nicht im Mindesten geschmeichelt fühlt. Weder, dass ich habe durchblicken lassen, wie viel Sherry sie getrunken hat, noch darüber, dass ich mehr als angedeutet habe, dass sie Simon eingesperrt hat. Hoffentlich freut sie sich, wenn sie das Folgende liest. Das hoffe ich zumindest, da Nella sie sehr mag, und ihr geht es, denke ich, ähnlich.
    Wir sind jetzt bei der letzten Geschichte angelangt, die ich erzählen will. Die, die ich Ihnen als Abschluss vor vier Jahren erzählt hätte, wenn man mir denn die Möglichkeit gegeben hätte, in meinem eigenen Buch das letzte Wort zu haben. Zufälligerweise ist es auch das Detail, nach dem ich in den letzten Jahren am häufigsten in Interviews und Leserbriefen gefragt worden bin. Nämlich, ob es Nella gelungen ist, Simon zu treffen, und wenn ja, wie das Treffen abgelaufen ist. Lassen Sie mich also die Zeit ein paar Jahre zurückdrehen, zu dem Wintertag im Jahr 1937, an dem Nella plötzlich in der Pension Godthåb in meiner Tür stand und sagte, dass ich versprochen hätte, sie zu begleiten.
    »Wohin?«
    Ich klang zweifellos genau so mürrisch, wie ich mich fühlte. Ich saß damals seit Tagen an einer langweiligen Reinschrift. Diese Arbeit war zwar ehrlich, redlich und allgemein üblich, doch brachte sie nicht halb so viel ein wie die ehemalige Kirchenarbeit. Die Telegramme. Seit Liljenholm war ich außer Stande gewesen, auch nur eins aufzusetzen, sodass Ambrosius sich eine neue Partnerin hatte suchen müssen, die auf Wohltätigkeit und Hausbesuche Lust hatte. Um mir zu
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