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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer
Autoren: Leonora Christina Skov
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habe immerhin so viel begriffen, dass Nella sich während meiner durch das Schreiben bedingten Abwesenheit neue Jagdgründe gesucht hatte. Oder genauer gesagt einen neuen Jagdgrund. Nämlich den, der direkt in die Schlafgemächer von Frydenlund führte, in denen Nella viele Stunden verbracht hat, die meisten im Liegen vermutlich. Jedenfalls war sie schwanger, als wir Lillemor besucht haben. Das konnte das lose sitzende Kleid von Agathe Couture nur mit knapper Not verbergen. Doch ich bin nicht umsonst Lilys Tochter. Genau wie sie erhob ich keinen Einspruch, als mich meine Geliebte verließ. Nachdem ich Nella der Möglichkeit beraubt hatte, ihre geliebte Mutter noch lebend anzutreffen, schuldete ich ihr alles, dachte ich. Auch, dass sie mit einem anderen glücklich wurde.
    Hans Nielsen ist der volle Name meines Nachfolgers, und wenn er Ihnen bekannt vorkommt, so ist das kein Zufall. Er spekuliert mit Immobilien und hat auf Liljenholm geboten, als Nella und ich damals hierhin zurückgekehrt sind, um die persönlichen Papiere von Antonia von Liljenholm zu ordnen und die Erbstücke durchzusehen. Ja, Sie kennen die Geschichte, und ich kann ihr noch hinzufügen, dass es Hans Nielsens ursprünglicher Plan war, Liljenholm und Frydenlund dem Erdboden gleichzumachen. In gewisser Weise verstehe ich ihn gut. Es war sein Vater, Jens Nielsen, der für Lilys Vergewaltigung angeklagt und zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt worden war. Als Nella den Verkauf von Liljenholm annullierte, beschloss sein Sohn, seine rechtmäßige Rache über Frydenlund ergehen zu lassen. Was sicher sehr einfach gewesen wäre, denn seit William von Frydenlund gestorben war, ohne einen Erben zu hinterlassen, stand das Gut leer. Glücklicherweise, wenn man bedenkt, dass er beinahe seine eigene Tochter geheiratet hätte. Doch nachdem Hans Nielsen erst einmal hier draußen wohnte, änderte er seine Pläne. Ich will natürlich nicht andeuten, dass sein neuer Plan der war, die Herrin von Liljenholm zu verführen und sich das Gut auf diese Weise unter den Nagel zu reißen. Das wäre jedenfalls auch deswegen ein schlechter Plan gewesen, da das Gut inzwischen mir gehört. Ich glaube wirklich, dass er sich in Nella verliebt hat. Und umgekehrt ist es ebenso, muss ich annehmen. Doch Nella hatte mir schließlich auch nur versprochen, so lange auf Liljenholm zu bleiben, bis ihre Geschichte sie nicht mehr heimsucht. Und das hat sie offenbar wörtlich gemeint. Marguerite sagt, dass ich aufpassen muss, an dieser Stelle nicht verbittert zu klingen.
    »Du hörst dich so edelmütig an«, hat sie vor Kurzem gesagt, als sie mit den letzten Seiten hereingekommen ist, die Sie gerade gelesen haben. »Dass du es Nella schuldig bist, dass sie mit einem anderen glücklich wird, und so weiter. Man könnte sich fast in dich verlieben, so galant wie du klingst.«
    Sie blinzelte mich an.
    »Außerdem hast du ganz bestimmt keinen Grund mehr, dich zu beklagen, meine Liebe.«
    Marguerite hat recht, ich beklage mich bestimmt nicht, Gott bewahre. Manches mag zwar nicht so gut laufen, doch das meiste läuft sehr viel besser als erwartet. Marguerite füllt die Rolle der Verwalterin, Privatsekretärin und Vorleserin zu meiner vollsten Zufriedenheit aus. Es geht ihr sehr viel besser, seit wir uns endgültig von Ambrosius verabschiedet und ihm einen Gedenkstein auf dem Hügel neben Antonias errichtet haben. Wir haben es jedoch unterlassen, eine Todesanzeige aufzugeben, obwohl wir das auch in Erwägung gezogen hatten.
    Es hebt ihre Stimmung bestimmt auch, dass sie die ganze obere Etage zu ihrer Verfügung hat. Und auch mir ist das nicht unrecht. Die vielen Zimmer, die miteinander flüsterten, haben mich nervös gemacht, doch mittlerweile sind sie alle recht gemütlich. Marguerite hat fünf als Regenerationsräume eingerichtet, wie sie das nennt. Tatsächlich heißt das, dass ihre verschiedenen Bekannten aus Kopenhagen zu Besuch hier herauskommen können, wenn sie aus diversen Gründen untertauchen oder zeitweise verschwinden müssen. Sie sind zwar ein paar Tage etwas blass um die Nase, wenn sie dieses Buch hier gelesen haben, vor allem die Freunde und Bekannten, die in Horaces und Claras altem Schlafzimmer wohnen, doch ansonsten behaupten alle, dass es hier sehr erholsam ist mit dem Park und dem Wald und den üppigen Liljenholmer Zimmern.
    Liljenholm hat noch immer seine eigene Persönlichkeit, obwohl unsere Gäste nur selten davon belästigt werden. Ich freue mich jeden Tag darüber, dass
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