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Das Turmzimmer

Das Turmzimmer

Titel: Das Turmzimmer
Autoren: Leonora Christina Skov
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und hoffte, dass sie sich kurz fassen würde. Sie nickte anerkennend zu der schwarzen Schönheit hin, die ich mir angeschafft habe. Eine Underwood, endlich.
    »Du hast eine neue Schreibmaschine.«
    »Gefällt sie dir?«
    Im selben Moment steckte Violette ihren Kopf zur Tür herein. Ja, die Violette. Sie sieht Louise Brooks ähnlicher denn je.
    »Was hältst du von einem Glas Holunderbeersaft aus dem Garten, kleine Bella?«, fragte sie mit ihrem nonchalanten französischen Akzent. Ich war ein weiteres Mal glücklich darüber, sie eingestellt zu haben. Liljenholm hat jahrelang eine kompetente Haushälterin gefehlt, und Violette hat sich unter anderem als hervorragend darin erwiesen, kleine Mädchen zu beaufsichtigen, die alles aufmachen und in allem herumwühlen wollen. Außerdem passt ihre Figur ausgezeichnet in die sanduhrförmigen Kleider, die ich mir erlaubt habe, ihr zu schenken. Bella ließ augenblicklich die Schreibtischschublade los, die sie gerade herausgezogen hatte, und folgte meiner französischen Schönheit mit kleinen Hüpfern. Nella sah ihnen mit gerunzelter Stirn nach. Ich hatte, keine Ahnung, was sie dachte.
    »Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, ein Nachwort zum Turmzimmer zu schreiben«, sagte sie schließlich und richtete den Blick auf das Fenster, wie sie das immer tut, wenn sie meinem Arbeitszimmer einen Besuch abstattet. Antonias Grabstein (derselbe, den Fräulein Lauritsen als Erinnerung an mich aufgestellt hatte, befürchte ich) leuchtete weiß im Sonnenschein. Ich muss ehrlich sagen, dass es inzwischen einige Zeit her ist, dass ich diesem Buch einen Gedanken geschenkt habe. Das mag merkwürdig erscheinen, wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Energie es mich gekostet hat, meine und Nellas und Liljenholms Geschichte zu entwirren und aufzuschreiben. Doch so ist das mit Büchern. Wenn man sie aus den Händen gibt, leben sie ihr eigenes Leben. Nella nickte, als ich das sagte.
    »Das weiß ich sehr wohl.« Sie konzentrierte sich auf einen Punkt über meinem Kopf. »Doch es ist nun einmal so, Agnes, dass Die tödliche Verspätung ein Erfolg geworden ist. Ich habe mir gedacht, dass die Zeit gekommen ist, dein Debüt in einer neu überarbeiteten Auflage mit einem Nachwort, dem Zitat der Baronesse und allem herauszubringen. Ihm sozusagen ein längeres Leben zu schenken. Dann hast du auch das letzte Wort, so wie es dir am liebsten ist.«
    »Ist das anrüchig, oder was?«
    »Habe ich das gesagt?«
    Sie atmete tief durch, während sie die Hand hob. Ob sie mich oder sich warnen wollte, konnte ich nicht sagen.
    »Du schuldest mir eigentlich dieses Nachwort«, sagte sie. »Nach dem ganzen Theater.«
    Sie spielte auf damals an, als Das Turmzimmer gerade erschienen war und sie ganz allein mit all den Anschuldigungen konfrontiert wurde, weil mit mir absolut nicht zu rechnen war. Das warf sie mir oft vor. Die Zeitungen hatten gefordert, sofort gegen Ambrosius und mich Anklage zu erheben. Hatte ich etwa nicht zugegeben, dass wir organisierte Diebe waren, Dokumentenfälschung betrieben, Leute mit Morphiumtropfen betäubt und Diebesgut ins Leihhaus gebracht hatten? Auf wundersame Weise gelang es Nella, uns durch ein Feuilleton in der Berlingske Tidende aus der Situation zu retten. »Verteidigung einer Sünderin« hieß es. »In Das Turmzimmer behauptet A. von Liljenholm zwar, die Wahrheit zu erzählen, doch die Frage ist schließlich die, ob man ihrer Aussage Glauben schenken mag«, schrieb Nella unter anderem. »Auf dem Einband des Buchs steht bekanntlich Roman und nicht Erfahrungsbericht , deshalb müssen wir davon ausgehen, dass es sich um eine künstlerische Bearbeitung der Wirklichkeit handelt. Es widerspricht allen geltenden Regeln der Kunst, einen Autor aufgrund eines literarischen Textes vor Gericht zu bringen. Ich hoffe wirklich sehr, dass es nie dazu kommen wird, dass Künstler moralisch für ihre Werke zur Verantwortung gezogen werden.« Ich selbst hätte es nicht besser schreiben können, auch wenn ich natürlich unterstreichen möchte, dass Sie allen Grund haben, Vertrauen in meine Aussagen zu legen. Natürlich sind sie künstlerisch bearbeitet worden, denn ich bin ja jetzt eine Künstlerin, doch zuallererst sind sie die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Das ist jetzt hoffentlich geklärt.
    Wie Sie vielleicht bemerkt haben, sind Nella und ich nicht länger ein Paar. Kurz nach unserem Besuch bei Lillemor kam es zum Bruch. Ich kann nicht sagen, dass ich damals sehr viel mitbekommen habe, doch ich
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