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Das Traumtor (German Edition)

Das Traumtor (German Edition)

Titel: Das Traumtor (German Edition)
Autoren: Gabriel Galen
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später sanft in den Schlaf wiegte.
     
    Um neugierigen Fragen zu entgehen, kehrten wir in Akinbera in einem anderen Gasthaus ein. Wir blieben drei Tage, denn Rowin wollte mir die Stadt und den berühmten Markt zeigen, auf dem Waren aus aller Herren Länder in Fülle angeboten wurden. Hand in Hand streiten wie durch die Stadt, bewunderten die Auslagen der Marktstände und kehrten in kleinen, verschwiegenen Schänken ein, um uns an einem Becher heißen Gewürzweins die Finger zu wärmen. Es war zwar noch kalt hier am Meer, trotzdem spürte man schon den Frühling, der nach dem kurzen Winter nicht lange auf sich warten lassen wollte. Losgelöst von seinen Pflichten und eingehüllt in Tustrons gnädiges Vergessen war Rowin der heiterste Gefährte, den man sich nur wünschen konnte. Er verwöhnte mich mit Zuckerwerk und allerlei bunten Schnickschnack, den er auf dem Markt erstand wie ein Bauernbursche, der seinem Mädel das erste Mal die große Stadt zeigt. Er freute sich wie ein kleiner Junge, daß er mich im Bälle werfen übertraf, und hätte beinahe einem Bärenführer sein Tier abgekauft, als ich den tapsigen Gesellen im Spaß als Spielgefährten haben wollte.
    „Ja, das wäre noch was!“ sagte ich lachend und konnte ihn nur mit Mühe bremsen. „Dann ziehe ich dir auch einen Ring durch die Nase und lasse euch beide für Geld in Varnhag auf dem Markt sehen. Ich werde damit wohl steinreich werden.“
    Rowin drohte mir lächelnd mit dem Finger. „Glaub bloß nicht, daß ich mich von dir an der Nase herum führen ließe! Der Herr im Haus bin immer noch ich – soweit du es mir gestattest!“ setzte er schalkhaft hinzu. „Du hast mir ja mal recht deutlich klargemacht, was passiert, wenn ich versuche, dir zu befehlen. Du würdest mich ja sofort mit Liebesentzug strafen und wüßtest genau, wie schnell ich dir nachgeben würde, du kleine schlaue Katze!“
    Ich protestierte: „Ich wüßte aber auch genau, wie sehr ich mich selbst damit strafen würde. Darum wirst du diese Strafe wohl nie ertragen müssen.“
    Da zog er mich mitten auf dem Marktplatz in die Arme und küßte mich vor allen Leuten, die uns verwundert oder lächelnd ansahen.
    Am vierten Morgen nahmen wir Abschied vom bunten Trubel Akinberas, und am Nachmittag brach die Sonne wieder durch die Wolken, die sich so lange Zeit nicht hervor getraut hatte. In den nächsten Tagen konnte man förmlich spüren, wie der Frühling aus dem Schlaf erwachte. Der erste frischgrüne Schimmer lag über den Wiesen, Bäume und Sträucher trugen zum Bersten gespannt Knospen, die es kaum erwarten konnten, ihren zartgrünen Schleier über die Natur zu weben. In den Schafherden entdeckten wir die ersten neugeborenen Lämmer. Der herbfrische Duft des Vorfrühlings lag über dem Land, und mit ihm kann der immer wiederkehrende Hauch einer fast greifbaren Spannung und Hoffnung auf den Neubeginn, die Wiedergeburt – eine Ahnung der nie endenden Sehnsucht der Menschen nach Leben und Liebe. Nie war mir dieses alles erfassende Sehnen stärker bewußt geworden als in diesen Tagen unseres Ritts durch Euribia. Der Schmerz der Gewissheit unserer Trennung vermischte sich mit diesem süßen, jenseits allen Hoffens liegenden Sehnen und ließ diese Zeit für mich wie einen Traum vergehen, der in der Seele brennt, aus dem man aber doch nie erwachen möchte. Und als dann fast über Nacht das erste frische Grün wie ein zartes Spitzengebilde über der Landschaft lag, die milde Luft unsere Haut mit seidigem Hauch umschmeichelte und überall aus den Büschen das Lied der Nachtigall erklang, war meine Seele zerrissen von Glück und kaum zu ermessendem Leid, und ich wünschte mir, in den Armen des Geliebten zu sterben. Übermächtig wuchs diese Todessehnsucht in mir, und nur der Gedanke an Rowins Schmerz lähmte die Hand, das Vergessen zu bringen. Doch wie viel größer noch würde sein Kummer sein, mich so zu verlieren, als eines Tages doch immerhin zu wissen, daß es mich noch irgendwo gab. Hätte ich nur meine Trauer mit ihm teilen können, ihm sagen können, was mich quälte! Aber er war so glücklich, so unbeschwert, so voller Leben. Wie hätte ich ihm das nehmen dürfen? Viel zu bald schon würde sich seine Fröhlichkeit in Verzweiflung verwandeln. Nein, diese Zeit war meine Gabe an ihn, mein Geschenk, das ihm blieb, wenn ihm alles genommen wurde, was jetzt der Grund seiner Freude war.
    Viel zu schnell vergingen die Tage und die Zeit entfloh mir unter den Händen, obwohl ich mich an jede Stunde
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