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Das Traumtor (German Edition)

Das Traumtor (German Edition)

Titel: Das Traumtor (German Edition)
Autoren: Gabriel Galen
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würden erfahren müssen.
    Er war so ruhig an diesem Abend, so heiter. Jetzt, wo er seine Entscheidung getroffen hatte und sie ihn nicht mehr quälte, war er nicht mehr in seine Melancholie von Beginn unserer Reise zurückgefallen, sondern ergab sich völlig der glückstrunkenen Gewißheit, mich nie mehr von seiner Seite lassen zu müssen.
    Oh Rowin! Mögen die Götter dir Vergessen schenken! Mir haben sie es versagt.
    Der erste graue Schein des Morgens kroch durch die dichten Vorhänge, als Rowin ermattet einschlief. Eine Weile noch lauschte ich dem ruhigen Atem dieses Mannes, dessen Liebe für mich wie ein Wunder gewesen war. Dann löste ich mich sanft aus seinem Arm und stand auf. Mit einem der mir verbliebenen Zündhölzer brannte ich eine der Kerzen des Leuchters an, der neben dem Bett auf einem kleinen Tisch stand. Im weichen Licht der Kerze sah ich auf Rowin nieder. Sein brauner Körper hob sich mit schmerzhafter Schönheit von den weißen Seidenlaken ab, von denen er einen Zipfel über seine Lenden gezogen hatte. Ein weiches, glückliches Lächeln lag auf seinen Lippen, und ich beugte mich über ihn zu einem letzten, wehmütigen Kuß.
    „Athama!“ murmelte er, aber er wachte nicht auf.              
    Ich ging zu der Konsole, auf der das Kästchen stand. in das ich die Phiole mit der Flüssigkeit des Magiers gelegt hatte. Einen Augenblick zögerte ich, es zu öffnen, und mein Blick flog zu Rowin hinüber, der sich im Schlaf leicht bewegte. Doch dann klappte ich den Deckel zurück und nahm das Fläschchen heraus. Ohne ein Geräusch schloß ich den Deckel wieder. Ich zog den Stöpsel aus der Phiole und hob sie hoch. Das Kerzenlicht fing sich in dem Glas, und ich sah die rote Flüssigkeit wie ein böses Auge aufblitzen. Noch einmal trat ich ans Bett, um ein letztes Mal Abschied zu nehmen, mir Rowins Bild tief in die Seele zu brennen, damit es mich nie verließe. Dann setzte ich mit einer heftigen, erzwungenen Bewegung das Gläschen an die Lippen und ließ die Flüssigkeit in meinen Mund rinnen.
    Um mich herum begannen wilde Nebel zu wallen. Mir wurde übel und ich glaubte zu ersticken. Ein schwarzer Schleier legte sich über meine Augen, der gleich darauf in tausend bunte Fetzen zerbarst, die sich in rasender Geschwindigkeit um mich zu drehen begannen. Dann stürzte ich in einen schwarzen Abgrund.
     
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich mit dem Kopf auf dem Schreibtisch in meinem Arbeitszimmer, dessen Anblick mir vertraut und doch wie aus längst vergangener Zeit erschien. Ich hob den Kopf. Noch vor so kurzer Zeit hatte ich in den Armen des Geliebten gelegen, und nun war er so weit fort, daß ich ihn nie wieder erreichen konnte. Wieder überflutete mich eine Welle von so unsagbarem Weh, daß ich mich wieder über den Schreibtisch warf und mein ganzer Körper von trockenem Schluchzen in heftigen Krämpfen geschüttelt wurde. Nur langsam entspannte sich dieser Kampf, und es dauerte geraume Zeit, bis ich überhaupt wieder denken konnte. Mühsam setzte ich mich auf, und langsam drang meine Umgebung wieder in mein Bewußtsein.
    Ich stutzte. Nichts hatte sich während meiner Abwesenheit im Zimmer verändert. Die Schreibtischlampe und die Stehlampe brannten noch genau wie in jener Nacht, obwohl es draußen schon hell war. Vor mir auf dem Schreibtisch lag die letzte Seite des Romans, den ich in jener Nacht beendet hatte, und das Wort „Ende“, das in großen Buchstaben unter der letzten Zeile stand, schien mich hämisch auszulachen. Ich fror in dem dünnen Hausanzug, denn die Tür zum Garten stand offen und die Morgenkühle drang ins Zimmer. Das Blatt auf dem Kalender zeigte noch den 3. Juni. Wie konnte das alles sein? Ich war fast ein Jahr fort gewesen, und selbst wenn ich berücksichtigte, daß in Rowins Welt die Zeit anders lief, so mußte doch auch hier einige Zeit vergangen sein. Meine Haushilfe war es gewöhnt, auch in meiner Abwesenheit auf das Haus zu achten, und sie hätte auf jeden Fall die Tür geschlossen und den Kalender abgerissen, selbst wenn auch nur einige Tage vergangen gewesen wären. Sie achtete stets auf das Datum, da sie wußte, wie leicht ich mich über meiner Arbeit in der Zeit verlor.
    Obwohl alles sich in mir dagegen sträubte, wollte mein Verstand mit einmal nicht mehr akzeptieren, daß ich wirklich in jener Welt gewesen war und all das tatsächlich erlebt hatte. Mir kam der Gedanke, daß ich vielleicht nur am Schreibtisch eingeschlafen war und meine überreizte Phantasie mich
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