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Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel
Autoren: Jeffery Deaver
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immer näher.
    Die letzten vier Stufen nahm Geneva mit einem Sprung. Auf dem harten Betonboden knickten ihre Beine ein, und sie prallte gegen die rau verputzte Wand. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte sie sich auf, hörte seine Schritte, sah seinen Schatten an der Wand.
    Sie schaute zu der Stahltür. Ihr Atem stockte. Um den Griff war eine Kette gewickelt.
    Nein, nein, nein … Es war mit Sicherheit nicht legal, die Tür am Ende der Feuertreppe mit einer Kette verschlossen zu halten. Was die Betreiber des Museums offenbar nicht davon abhielt, sich auf diese Weise vor Einbrechern zu schützen. Vielleicht hatte auch der Fremde die Kette dort angebracht, um vorsorglich den Fluchtweg zu versperren. Hier stand sie also nun, gefangen in einem düsteren Betonschacht. Aber wurde die Tür überhaupt durch die Kette blockiert?
    Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Los, Mädchen!
    Geneva warf sich mit aller Kraft gegen den Griff.
    Die Tür schwang auf.
    Gott sei …
    Ein gewaltiger Lärm erfüllte urplötzlich ihre Ohren, und ein Schmerz durchzuckte sie. Hatte man ihr in den Kopf geschossen? Dann begriff sie, dass sie den Türalarm ausgelöst hatte. Die Sirene heulte so gellend wie Keeshs kleine Cousinen. Geneva stand in der Gasse, schlug die Tür hinter sich zu und wusste im ersten Moment nicht, ob sie nach rechts oder links rennen sollte.
    Auf den Boden mit ihr, gebt’s ihr, zeigt’s dem Miststück …
    Sie entschied sich für rechts, erreichte die Fünfundfünfzigste Straße und lief mitten zwischen die zahlreichen Passanten, die sich dort auf dem Weg zur Arbeit befanden. Einige der Leute musterten sie beunruhigt, andere argwöhnisch, aber die meisten ignorierten das verängstigte Mädchen. Dann hörte Geneva, wie hinter ihr die Sirene wieder lauter wurde, weil ihr Verfolger die Tür aufstieß. Würde er sich aus dem Staub machen oder ihr weiterhin nachsetzen?
    Geneva eilte die Straße entlang auf Keesh zu, die dort auf dem Bürgersteig stand, in einer Hand einen Pappbecher Kaffee hielt und soeben versuchte, sich im Wind eine Zigarette anzuzünden. Ihre mokkabraune Klassenkameradin – die sorgfältig violettes Make-up aufgelegt und sich die Haare mit blonden Strähnchen verlängert hatte – war genauso alt wie Geneva, aber einen Kopf größer und wesentlich üppiger, mit großen Brüsten, ausladenden Hüften und noch manch anderen straffen Rundungen. Sie hatte draußen gewartet, denn sie interessierte sich weder für Museen noch für irgendwelche anderen Gebäude, in denen man nicht rauchen durfte.
    »Gen!« Ihre Freundin ließ den Kaffeebecher fallen und lief ihr entgegen. »Was is’n los? Du siehst ja ganz fertig aus!«
    »Dieser Mann …«, stieß Geneva keuchend hervor und spürte, wie ihr schwindlig wurde. »Da war so ein Kerl, der ist auf mich losgegangen.«
    »Scheiße, echt?« Lakeesha schaute sich um. »Wo steckt er denn?«
    »Keine Ahnung. Er hat mich verfolgt.«
    »Bleib ruhig. Dir wird nichts passieren. Lass uns verschwinden. Na los, komm schon!« Die füllige Lakeesha – die jede zweite Sportstunde schwänzte und seit zwei Jahren rauchte – trabte los, so gut sie konnte, nach Luft schnappend und mit rudernden Armen.
    Nach nur einem halben Block verringerte Geneva das Tempo und blieb schließlich stehen. »Warte mal.«
    »Was hast du vor, Gen?«
    Die Panik war einem anderen Gefühl gewichen.
    »Los doch«, drängte Keesh außer Atem. »Beweg deinen Hintern.«
    Doch Geneva Settle hatte ihre Meinung geändert. Statt Angst verspürte sie nun Wut. Verdammt, er soll nicht einfach so davonkommen, dachte sie. Sie drehte sich um und ließ den Blick über die Straße schweifen. Dann entdeckte sie, wonach sie Ausschau gehalten hatte, dicht bei der Einmündung der Gasse, aus der sie eben erst geflohen war. Sie ging dorthin zurück.
     
    Einen Block vom afroamerikanischen Museum entfernt hörte Thompson Boyd auf, sich hastig durch die Menge der morgendlichen Berufspendler zu drängen. Thompson war ein Durchschnittstyp. In jeder Hinsicht. Mittelbraunes Haar, weder dick noch dünn, mittelgroß, weder gut aussehend noch hässlich, weder muskulös noch schmächtig. (Im Gefängnis hatte man ihn »Joe Jedermann« genannt.) Die meisten Leute sahen direkt durch ihn hindurch.
    Aber ein Mann, der im Laufschritt durch Midtown hetzte, erregte unweigerlich Aufsehen, sofern er nicht geradewegs auf einen Bus, ein Taxi oder eine U-Bahn-Station zusteuerte. Also passte Boyd sich der Geschwindigkeit der anderen an. Kurz
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