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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament
Autoren: John Grisham
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sich geht.
    TJs Bruder, mein zweiter Sohn, Rex, ist vierundvierzig und zur Zeit mit einer Stripperin namens Amber verheiratet, ein armes hirnloses Geschöpf mit gewaltigen Silikonbrüsten. Sie ist seine zweite oder dritte Frau - einerlei, wer bin ich, dass ich mich zum Richter darüber aufschwingen dürfte? Jedenfalls ist sie da, ebenso wie die anderen gegenwärtigen Ehegatten und/oder Lebensgefährt(inn)en, und rutscht unruhig auf dem Stuhl hin und her, während sie darauf wartet, dass elf Milliarden aufgeteilt werden.
    Libbigail ist Lillians erste Tochter, meine älteste. Ich habe das Kind abgöttisch geliebt, bis sie aufs College ging und mich vergessen hat. Als sie dann einen Afrikaner geheiratet hat, habe ich sie in meinen Testamenten nicht mehr berücksichtigt.
    Das letzte Kind, das Lillian zur Welt gebracht hat, war Mary ROSS. Sie ist mit einem Arzt verheiratet, der gern superreich sein möchte, aber sie stecken bis zum Hals in Schulden.
    In einem Raum im neunten Stock wartet Janie mit den Kindern aus meiner zweiten Ehe. Sie hat seit unserer viele Jahre zurückliegenden Scheidung zweimal geheiratet. Ich beschäftige Privatdetektive, die mich auf dem laufenden halten, und bin fast sicher, dass sie im Augenblick allein lebt, aber nicht einmal das FBI wäre imstande, mit ihren Bettgeschichten Schritt zu halten. Wie ich schon gesagt habe, lebt ihr Sohn Rocky nicht mehr. Ihre Tochter Geena ist mit ihrem zweiten Mann, Cody, hier, einem Schwachkopf mit einem Diplom in Betriebswirtschaftslehre; ihm ist durchaus zuzutrauen, dass er eine halbe Milliarde innerhalb von drei Jahren gekonnt auf den Kopf haut.
    Dann ist da noch Ramble, der sich im vierten Stock auf einem Sessel fläzt und an dem goldenen Ring leckt, den er im Mundwinkel trägt. Er fährt sich mit den Fingern durch das klebrige grüne Haar und knurrt seine Mutter an, die doch tatsächlich die Frechheit besessen hat, mit einem behaarten kleinen Gigolo hier aufzutauchen. Ramble ist überzeugt, dass ihm heute ein Vermögen übertragen wird, einfach deshalb, weil ich ihn gezeugt habe. Auch er hat einen Anwalt mitgebracht, einen radikalen Hippie, den Tira im Fernsehen gesehen und engagiert hat, gleich nachdem sie mit ihm im Bett war. Sie warten wie alle anderen.
    Ich kenne diese Leute. Ich beobachte sie.
    Jetzt taucht Snead hinten aus meiner Wohnung auf. Er ist seit etwa dreißig Jahren mein Faktotum, ein rundlicher, umgänglicher Mann in weißer Weste, duldsam und demütig, stets in der Hüfte abgeknickt, als verbeuge er sich vor einem König. Er bleibt vor mir stehen, die Hände wie immer auf dem Bauch gefaltet, den Kopf zur Seite geneigt, und fragt mit schiefem Lächeln und einem affektierten Tonfall, den er sich angewöhnt hat, als wir vor Jahren miteinander in Irland waren: »Wie geht es Ihnen, Sir?«
    Ich sage nichts, denn weder habe ich es nötig, ihm zu antworten, noch rechnet er damit.
    »Etwas Kaffee, Sir?«
    »Mittagessen.«
    Snead zwinkert mit beiden Augen und verbeugt sich noch tiefer. Dann watschelt er hinaus, wobei seine Hosenaufschläge über den Boden schleifen. Auch er rechnet damit, reich zu werden, wenn ich sterbe, und vermutlich zählt er die Tage wie alle anderen.
    Wenn jemand Geld hat, möchten alle etwas davon haben. Nur ein winziges Scheibchen. Was bedeutet eine Million einem Mann, der Milliarden besitzt? Gib mir eine Million, alter Junge, und du merkst den Unterschied nicht einmal. Leih mir was, und wir können es beide vergessen. Quetsch meinen Namen irgendwo in dein Testament mit rein; da ist bestimmt Platz dafür.
    Snead ist entsetzlich neugierig, und ich habe ihn vor Jahren dabei ertappt, wie er in meinem Schreibtisch herumgestöbert hat. Wahrscheinlich hat er nach dem gerade gültigen Testament gesucht. Er möchte, dass ich sterbe, weil er mit ein paar Millionen rechnet.
    Welches Recht hat er, überhaupt mit etwas zu rechnen? Ich hätte ihn vor Jahren rauswerfen sollen.
    Sein Name taucht in meinem neuen Testament nicht auf.
    Er stellt ein Tablett vor mich hin: eine ungeöffnete Packung Ritz-Kekse, ein Gläschen Honig, dessen Deckel noch versiegelt ist, und eine kleine Dose Fresca auf Zimmertemperatur. Bei der kleinsten Abweichung würde Snead sofort gefeuert.
    Ich sage ihm, dass er gehen kann, und tauche die Kekse in den Honig. Meine Henkersmahlzeit.

    ZWEI

    Ich sitze da und starre durch die getönten Glaswände. An klaren Tagen kann ich die Spitze des Washington-Denkmals sehen, das zehn Kilometer von hier entfernt ist. Aber heute
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