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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen
Autoren: Jules Verne
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gesammten Zuschauermenge erhob.
    »Das ist ja der ehrwürdige Herr Humphry Weldon!« setzte sie, die Arme ausstreckend, hinzu.
    Ja, der ehrwürdige Humphry Weldon, doch in weniger ehrwürdigem Alter, als gelegentlich seines Besuches bei Lissy Wag. Dieser Herr und William I. Hypperbone waren ein und dieselbe Person… Wir lassen hier auszugsweise den Bericht folgen, den die Zeitungen der ganzen Welt brachten, und der alles erklärte, was bei diesem wunderbaren Abenteuer unerklärlich erschien.
    Am 1. April und in dem Hôtel der Mohawk Street war es gewesen, wo William I. Hypperbone während einer Partie des Edlen Gänsespieles von einer heftigen Congestion befallen worden war. Nach seinem Hôtel in der La Salle Street gebracht, starb er dort nach wenigen Stunden oder wurde wenigstens von den herbeigeholten Aerzten für todt erklärt.
    Trotz der Aussage von »Sachverständigen« befand sich William I. Hypperbone aber nur in einem kataleptischen Zustande, freilich völlig mit dem Aussehen eines Mannes, der das Zeitliche gesegnet hat. Es war ein Glück für ihn, in seinem Testamente nicht bestimmt zu haben, daß er einbalsamiert werden sollte, denn wenn das einmal geschehen war, kam er gewiß nicht wieder zur Besinnung. Da sieht man’s ja, wenn ein Mensch einmal Glück haben soll…
    Das prachtvolle Begräbniß ging in der uns bekannten Weise vor sich; danach schlossen sich am 3. April die Thüren des Mausoleums für das hervorragendste Mitglied des Excentric Club.
    Am Abend aber, als der Wärter eben die letzten Lampen in der Halle löschen wollte, hörte er, wie sich etwas im Innern des Katafalks bewegte. Schwache Seufzer drangen daraus hervor und eine halb erstickte Stimme rief nach ihm. Der Wärter verlor den Kopf darüber nicht. Er holte eiligst seine Werkzeuge, schraubte den Sargdeckel auf, und das erste Wort des aus seinem lethargischen Schlummer erwachten William I. Hypperbone lautete:
    »Nicht ein Wort… und Dein Glück ist gemacht!«
    Dann setzte er mit einer für einen aus dem Jenseits zurückgekehrten Mann außerordentlichen Geistesgegenwart hinzu:
    »Du allein, Du allein wirst also wissen, daß ich noch lebe… Du allein, nebst meinem Notar, dem Meister Tornbrock. Jetzt eile zu diesem und sage ihm, er möge augenblicklich hierherkommen.«
    Ohne weitere Erklärungen abzuwarten, verließ der Wärter die Halle und lief, was er konnte, zu dem Notar.
    Wie erstaunte, und wie freudig erstaunte aber Meister Tornbrock, als er eine halbe Stunde später seinen Clienten wieder wohl und munter vor sich stehen sah.
    William I. Hypperbone hatte seit seiner Auferstehung über so mancherlei nachgedacht und war, was bei einem Manne seines Schlages nicht wundernehmen kann, zu folgendem Entschlusse gekommen:
    Da er einmal testamentarisch die berühmte Partie eingeleitet hatte, die zu so vieler Aufregung, zu so vielen Enttäuschungen und Ueberraschungen Anlaß geben sollte, wollte er diese auch von den durch das Los bestimmten Theilnehmern gespielt sehen, sich aber allen, für ihn etwa daraus hervorgehenden Folgen unterwerfen.
    »Dann werden Sie aber, wendete Meister Tornbrock ein, ganz sicherlich ruiniert sein, denn einer von den Sechsen muß sie doch gewinnen. Freilich wird Ihr Testament, da Sie nicht todt sind – wozu ich Sie aufrichtig beglückwünsche – an sich hinfällig und die Anordnungen darin werden wirkungslos. Warum wollen Sie die Partie also noch spielen lassen?
    – Weil ich daran selbst theilnehmen will.
    – Sie?…
    – Ja wohl… ich selbst.
     

    Und jetzt… welches Wunder! Da stand ein Mann durch und durch lebendig. (S. 470)
     
    – Und wie soll das möglich sein?
    – Ich werde meinem Testamente ein Codicill anfügen und darin einen siebenten Partner bestimmen, der William I. Hypperbone unter der Chiffre X. K. Z. sein wird.
    – Und Sie wollen wirklich mitspielen?
    – Ganz wie die Anderen.
    – Sie werden sich aber allen aufgestellten Spielregeln unterwerfen müssen…
    – Das versteht sich von selbst.
    – Und wenn Sie verlieren?…
    – Nun so verliere ich eben, und mein ganzes Vermögen geht auf den Gewinnenden über.
    – Das ist Ihr Entschluß?…
    – Mein fester Entschluß. Da ich mich bisher durch keinerlei Excentricität hervorgethan habe, will ich mich wenigstens unter dem Deckmantel meines Todes einmal excentrisch erweisen.«
    Das Weitere ist leicht zu errathen. Der gutbelohnte Wärter der Oakswoods, dem eine noch reichlichere Belohnung zugesichert wurde, wenn er bis zum Ausgang dieses
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