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Das Teehaus im Grünen

Das Teehaus im Grünen

Titel: Das Teehaus im Grünen
Autoren: Mary Scott
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die reglose Gestalt auf dem Bett; dann ging er nahe an sie heran, beugte sich über sie und drehte sich um.
    »Liegt sie im Sterben?« Vicky wagte kaum zu atmen.
    »Sie ist sinnlos betrunken«, antwortete James Seymour.
    Die Mädchen waren sprachlos. Lucy trat an das Bett, beugte sich darüber und zog die Luft ein. Das genügte! Die alte Dame roch nach Schnaps.
    Da berührte Seymour mit dem Fuß einen Gegenstand, der halb unter das Bett gerollt war. Er bückte sich rasch und hob ihn auf. Es war die Flasche, die Vicky vorhin in der Eile abgestellt hatte, deren Inhalt »manche Leute wie Wasser trinken«. Mrs. Kelston hatte ihn wie Wasser getrunken. Sie war zu einem Viertel gefüllt gewesen, nun war sie leer.
    Plötzlich kehrte das Leben in die Patientin zurück. Sie öffnete die Augen und lächelte Vicky selig an. »Ein bißchen hat’s in der Kehle gekratzt. Es ist doch nicht so ganz wie Wasser... Die armen kleinen Wespen haben es nicht böse gemeint.« Mit diesen Worten schloß sie die Augen und schlief zufrieden weiter.
     
     
     

15
     
    Seymour brach das Schweigen und fragte gereizt: »Ist diese schwierige alte Frau vielleicht auch noch Alkoholikerin?«
    Lucy mußte lachen. »Natürlich nicht! Im Gegenteil! Sie hatte gegen geistige Getränke so viel einzuwenden, daß wir nur im Badezimmer gelegentlich einen Schluck Sherry trinken konnten. Außerdem kratzten wir von allen Flaschen das Etikett ab, damit sie nicht auf die Idee käme, wir feierten hier Orgien.«
    »Wie in aller Welt...«
    »Es war wieder mal meine Schuld, wie immer«, erklärte Vicky niedergeschlagen. »Ich habe ihr die Flasche hingestellt, da gab es eine neue Aufregung im Tea-Room, ich lief hinüber und dachte nicht mehr daran.« Sie stockte und fuhr dann tapfer fort: »Ich habe ihr weisgemacht, es handelte sich um Medizin.«
    »Schon wieder geschwindelt, ja?« Seymour war empört.
    »Macht doch kein so feierliches Gesicht, ihr beiden!« lachte Lucy. »Vicky war im Recht: Alkohol ist Medizin, wenn er in Maßen genommen wird, aber...« Sie konnte nur noch kichern und sagte dann erschöpft: »Verzeihen Sie, das klingt so hysterisch! Es ist die Reaktion. Wir dachten wirklich, sie müßte sterben! Sie hat ein schwaches Herz, hat uns Harry erzählt. Deshalb hat ihr Vicky Kognak zu trinken gegeben; sie muß ziemlich viel davon getrunken haben. Kein Wunder, daß sie einen Rausch hat. Ich weiß, es ist nicht zum Lachen, aber Vicky wollte Harry schon an ihr Sterbebett rufen. Der Nachmittag war schon furchtbar genug gewesen, besonders für Vicky.«
    »Wieso furchtbar? Was hat Vicky denn durchgemacht?« Man sah ihm an, daß er sich Vicky von verliebten Jünglingen umringt vorstellte.
    Sie zogen alle drei in die Küche, und die Freundinnen erzählten abwechselnd von den Ereignissen des Nachmittags. Vickys Bericht klang sehr erheiternd, aber Seymour lachte nicht. Er schien heute unnahbar und sogar auf räumlichen Abstand zu Vicky bedacht zu sein. Als die Wespengeschichte beendet war, sah Lucy vom einen zum anderen und meinte dann rasch: »Ich muß mich doch noch mal um Mrs. Kelston kümmern.«
    »Sie sollten sie lieber ihren Rausch ausschlafen lassen!« fand Seymour. Er wollte sie anscheinend nicht gehen lassen, und das ärgerte Vicky, die sich auf den Großangriff vorbereitete.
    Da fuhr wieder ein Wagen vor, und Gordon sprang heraus. »Hallo, wie geht es euch beiden?« Dann bemerkte er die Unordnung und pfiff durch die Zähne. »Hat hier eine Schlacht stattgefunden? Vielleicht gab es Ärger mit den gebildeten jungen Leuten?«
    Lucys Gesicht erstrahlte bei seinem Anblick, und Vicky dachte: Wie sehr kann das Glück einen Menschen verändern! Lucy sah schon immer gut aus, jetzt aber ist sie schön. Und gleich kam ihr der Gedanke: Hoffentlich macht das Unglück nicht häßlich! Vielleicht schaut James Seymour mich deshalb so unfreundlich an. Sie ging zu dem kleinen Spiegel an der Küchenwand und blickte hinein.
    »Ach, Gordon, es war schrecklich!« sagte Lucy. »Ich sollte eigentlich aufräumen, aber wir wollen erst ein bißchen in den Garten gehen; da kann ich dir alles erzählen.« Sie schob ihren Arm in den seinen und zog ihn fort.
    Die beiden anderen hörten noch seine Worte: »Was war denn hier los, und wer ist dieses Mannsbild?... Waaas? Das ist er? Da hat sich Vicky aber was ausgesucht! Der sieht ja zum Fürchten aus!«
    Hitzig wandte Vicky sich Seymour zu. »Er hat recht! Sie sehen wirklich furchterregend aus!«
    Mit aufreizender Ruhe nahm er diesen
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