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Das Teehaus im Grünen

Das Teehaus im Grünen

Titel: Das Teehaus im Grünen
Autoren: Mary Scott
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gewesen, sagte sie später; denn jetzt drangen die Wespen, vor denen sie solche Angst hatte, in richtigen Schwärmen durch die Fenster herein. Sie bahnte sich einen Weg durch die aufgeregten Gäste und schloß die Fenster; dabei schlug sie sich immer wieder verzweifelt auf die Haare. Dorthin hatte sich nämlich eine wild stechende Wespe verirrt. Mit letzter Kraft rief sie: »Nur Ruhe! Die Fenster sind zu! Es kann keine mehr hereinkommen!«
    Aber der Kampf gegen die bereits eingeflogenen Tiere ging weiter. Lucy war die einzige, die einen klaren Kopf behalten hatte. Sie sprühte mit einer Spraydose den ganzen Raum aus. »Das wird sie betäuben«, erklärte sie ruhig. »Wenn sich niemand mehr so wild bewegt und keiner nach ihnen schlägt, wird auch niemand gestochen.« Als schließlich ihre Spraydose leer war, gaben die Wespen den Kampf auf. Überall lagen die toten Tiere herum, die Gäste kamen unter den Tischen hervor und warfen die Tücher ab. Ein paar waren gestochen worden, die einen mehr, die anderen weniger. Doch Lucy hatte sich schon vor einiger Zeit aus der Apotheke eine Salbe zur Behandlung von Insektenstichen besorgt; damit pflegte sie nun die armen Opfer, während Vicky die Tische säuberte und alles Genießbare wegräumte. »Denn angesprühten Kuchen und Tee, in dem tote Wespen herumschwimmen, mag niemand«, meinte sie verständnisvoll.
    Sie rückte die Tische wieder zurecht und bereitete frischen Tee. Erst als sie und Lucy in der Küche ein wenig Atem schöpfen konnten, sagte sie: »Eine sitzt immer noch in meinen Haaren; ich habe sie totgeschlagen, hol sie doch bitte heraus, ehe ich völlig verrückt werde. Eine andere ist mir durch den Ausschnitt den Rücken hinuntergekrochen, soweit es ging. Aber ich habe mich ganz fest hingesetzt und sie zerquetscht. Sie hat mich noch gestochen, aber jetzt ist sie tot.« Lucy holte die Wespe aus den Haaren heraus und lachte: »Du hast dich benommen wie ein Held! Ich habe nur ein paar kleine Stiche, sie stören mich nicht weiter. Aber wie konnte das nur passieren?«
    Darüber unterhielten sie sich auch mit den Gästen; ein junger Mann, der auf der Veranda gesessen hatte, sagte: »Im Garten muß ein Wespennest sein. Unter den Bäumen stand eine alte Frau; sie stocherte mit einem Stock in der Erde herum und redete vor sich hin. Und plötzlich war alles voller Wespen.«
    Vicky und Lucy blickten sich erschrocken an. »Mrs. Kelston! Jetzt hat sie es doch noch entdeckt! Aber was ist mit ihr geschehen?« flüsterte Lucy ihrer Freundin zu.
    »Entsetzlich! Wahrscheinlich liegt sie irgendwo! Vielleicht ist sie an dem Wespengift gestorben!« antwortete Vicky. »Ich muß gleich nach ihr sehen. Nein, das ist meine Sache, Lucy, das muß ich tun.« Ohne auf Lucys Proteste zu achten, ging sie mutig zur Tür. Doch dann fiel ihr ein, daß es besser war, keine weiteren Wespen in ihrem Haar zu riskieren. Sie wollte sich schnell aus ihrem Zimmer ein Kopftuch holen. Im Vorübergehen warf sie einen Blick in Mrs. Kelstons Zimmer. Zu ihrer Überraschung und Erleichterung lag die alte Dame friedlich mit geschlossenen Augen auf ihrem Bett. Sie hatten sie also falsch verdächtigt! Sie war nicht an dem Unglück schuld. Vicky trat leise näher. Sie war so froh, daß sie sich nicht aufs neue zu den Wespen wagen und eine Tote unter den Bäumen suchen mußte. Mrs. Kelston schlief nicht. Sie öffnete die Augen und schwatzte gleich drauflos: »Denken Sie nur, ich habe das Wespennest gefunden! Ich habe ein bißchen in der Erde herumgestochert, und auf einmal waren sie da!«
    »Aber — aber sind Sie jetzt nicht furchtbar zerstochen?«
    »Ach nein! Ein paar freche Kerlchen haben mich aus Spaß ein bißchen gezwickt, aber was macht das schon! Ich habe ihnen erzählt, daß ich ihr Freund bin, da sind sie gleich davongeflogen. Haben Sie eine gesehen? Ich wollte ihnen nach, aber die Aufregung hat mich ein wenig müde gemacht, und deshalb habe ich mich ein bißchen hingelegt.«
    Sie sprach sehr leise, und Vicky sah sie genauer an. Sie war sehr bleich, die Lippen bläulich verfärbt. Harry hatte einmal gesagt, seine Mutter neige dazu, sich zuviel zuzumuten. Außerdem sei ihr Herz nicht ganz in Ordnung. »Sie sind gewiß zu schnell gelaufen«, meinte sie. »Sie hatten wohl auch große Angst!«
    Mrs. Kelston war gekränkt. »Angst? Wovor sollte ich Angst haben? Kein einziges Geschöpf unseres Herrn kann mich in Schrecken versetzen. Ich brauchte ihnen nur zu sagen, daß ich es gut mit ihnen meine, und gleich flogen
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