Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann
Autoren: Helmut Wolkenwand
Vom Netzwerk:
Das Café gefiel mir. In einer ruhigen Seitenstraße in
Bornheim gelegen, konnte man durch das Fenster mit dem goldenen Schriftzug eine
kleine Grünanlage mit Platanen sehen, und eine junge Frau, die ihre Hund Gassi
führte, der gerade an einer der Platanen genüsslich sein Geschäft verrichtete.
Ich war gespannt ob sie die Hinterlassenschaft auch wegräumen würde.
    Dann fiel
mein Blick wieder auf jemanden, der genauso unappetitlich war wie das, was der
Hund gerade entweichen ließ. Der coole Businessmann, der zwei Tische weiter
saß.
    Sein Name war Lucio Valente. Wie Katherina Valente. Ein
Künstlername, den er sich ausdachte, weil Rossi ihm zu gewöhnlich war. Rossis
gab es in Italien mehr als bei uns die Schmidts. Vielleicht sah er sich ja auch
als ein Künstler. Oder dachte einfach, er brauchte einen klangvolleren Namen.
Vielleicht hielt er sich auch für eine Art von Ein-Mann-Mafia, da konnte man ja
auch nicht einfach nur Alfonso Rossi heißen.
    »Ihr Latte Macchiato«, unterbrach Anette meine Gedanken. Ich nickte
ihr dankend zu, schenkte ihr ein Lächeln, das sie mit einem Lächeln ihrerseits
quittierte, auch wenn es etwas müde wirkte. Sie hatte mir vorhin schon erzählt,
dass sie seit heute Morgen um vier auf den Beinen war, ihre Kleine hatte
zurzeit einen Husten und deshalb ihre Mama die ganze Nacht lang wachgehalten.
    Wenn man unseren Freund Lucio oberflächlich betrachtete, konnte man
ihn für einen Banker halten. Davon gab’s in Frankfurt ja auch genug, aber die
tummelten sich lieber unter Ihresgleichen am Börsenplatz, als in einem solchen
Café viel zu wenig für den Kaffee zu bezahlen.
    Dass Lucio sein Haar gelte war nur ein kleiner Hinweis. Die goldene
Rolex ein anderer. Und das goldene Kettchen an seinem Handgelenk durfte auch
nicht fehlen.
    Auf der Straße, direkt vor unserem kleinen Café geparkt, sah man den
nächsten Hinweis, einen feuerroten Ferrari. Rossi, halt. Dahinter, auf der
Grünanlage, die junge Frau mit ihrem Hund, die sich unauffällig aus dem Staub
machte. Vom Hundebaggy keine Spur.
    Lucio war ein Zuhälter. So eine unschöne Bezeichnung, er wäre auch
wohl der erste, der es abgestritten hätte. Nein, hätte er gesagt, er wäre ja
nur ein Agent. Ein Vermittler. Er vermittelte abenteuerlustigen jungen Frauen
günstig Wohnungen und Herrenbekanntschaften. Oder, wenn die Nachfrage vorhanden
war, auch Damenbekanntschaften. Wenn seine Kunden nicht zufrieden mit dem
Service der Damen waren, erklärte er den Damen freundlich und bestimmt, dass
heutzutage die große Chance im Dienstleistungsgewerbe lag und man alles daran
setzen sollte, eine Kundenbindung zu erreichen. Wenn’s dabei auch mal blaue
Flecken gab … manche jungen Frauen heutzutage waren so ungeschickt, dass sie
gleich zweimal in dieselbe Tür liefen.
    Vorhin hatte eine junge Frau ihn aufgesucht, ganz offensichtlich
eine Studentin, sie hatten sich kurz unterhalten, sie hatte sich angehört, was
er zu sagen hatte, nur kurz gezögert und dann genickt. Jemand, die kurzentschlossen
ihre Chance ergriff.
    Wie gesagt, der Dienstleistungssektor hatte noch Wachstumschancen.
Er gab ihr einen Schlüssel und erklärte ihr klar, dass er am Abend vorbeikommen
würde. Die Art, wie sie ihn dabei musterte, sagte mir, dass sie darüber nicht
so glücklich war, aber in ihrem erwählten Nebenjob musste man da wohl durch.
Als sie ging, sah ich ein dickes Buch aus ihrem Rucksack ragen, irgendetwas mit
Betriebswirtschaftslehre … vielleicht wollte sie einfach auch nur Unternehmerin
werden und hatte gerade gelernt, wie man selbst zum Angebot werden konnte.
    Nein, Valente war kein Zuhälter. Nur ein Agent. Wie in einer
Künstleragentur. Oder sogar Unternehmer.
    Unternehmungsfreudig war er ja. Weil sein Job so langweilig war,
peppte er ihn ein wenig auf. Manche seiner Damen waren auch unternehmensfreudig
und besuchten ihre Bekanntschaften auch mal zu Hause. Und weil er so ein lieber
Kerl war, sorgten sie dafür, dass Lucio ebenfalls diese Bekannten besuchen konnte.
Ohne dass seine Kunden davon wussten. Sonst hätten die hübschen Fotos
wahrscheinlich deutlich weniger natürlich gewirkt. Wenn er schon mal in fremden
Häusern stöbern kann, dann auch gleich richtig, schließlich weiß man nie, ob
man nicht etwas findet, was man gebrauchen kann.
    Die Geschäftsidee war genauso einfach wie einleuchtend. Die
Bekanntschaften mit den großen Häusern besaßen dicke Brieftaschen und hatten
meistens irgendetwas zu verlieren. Vielleicht auch nur das Geld der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher