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Das Teehaus im Grünen

Das Teehaus im Grünen

Titel: Das Teehaus im Grünen
Autoren: Mary Scott
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sie davon. Ich bin nur ein wenig schläfrig. Es ist heute sehr heiß!«
    »Sie sehen aber nicht gut aus! Lassen Sie mich mal die Stiche sehen!« sagte Vicky energisch und erschrak, als sie die zahlreichen Schwellungen auf Mrs. Kelstons Händen und Armen erblickte. Sehr freundlich schienen sich die Wespen nicht benommen zu haben.
    »Man kann sie deshalb nicht tadeln«, verteidigte das Opfer ihre Lieblinge. »Es ging so schnell, daß ich keine Zeit hatte, ihnen alles zu erklären.«
    Vicky machte keine Einwendungen; sie holte den fast geleerten Salbentopf und rieb die Stiche sorgsam ein. Aber Mrs. Kelston war noch immer beängstigend blaß. Zu ihrer Erleichterung fiel Vicky die Kognakflasche ein, von der sie das Etikett entfernt hatte.
    »Sie sind sehr müde«, sagte sie. »Ich gebe Ihnen etwas von unserer Medizin; das wird Ihnen gut tun.«
    »Aber keinen Alkohol! Für mich ist Alkohol Gift, das wissen Sie doch!«
    »Es ist ja Medizin«, versicherte Vicky und beruhigte ihr Gewissen damit, daß das keine echte Lüge sei.
    Sie kam mit dem Kognak, einem Krug Wasser und einem Glas zurück. Sie goß ein reichliches Quantum Schnaps in das Glas und wollte gerade das Wasser hinzugießen, als im Tea-Room ein neuer Tumult losbrach. Sie setzte den Wasserkrug ab und sagte: »Gießen Sie noch etwas Wasser hinzu! Es kann Ihnen bestimmt nicht schaden. Es ist völlig harmlos. Viele Leute trinken es wie Wasser!« Damit lief sie davon.
    Irgend jemand hatte die Tür zum Garten geöffnet, und so waren einige neue Wespen eingedrungen. Lucy betäubte und tötete sie, und alsbald war die Ruhe wiederhergestellt.
    »Was ist mit Mrs. Kelston?« flüsterte sie Vicky zu.
    »Alles in Ordnung. Aber sie ist schuld. Sie hat das Nest entdeckt und aufgestöbert.«
    »Ist sie nicht arg gestochen worden?«
    »Sie hat schon eine ordentliche Anzahl Stiche. Sie liegt jetzt auf ihrem Bett, ziemlich erschöpft von all den Aufregungen. Ich habe ihr einen Schnaps gegeben.«
    »Aber sie rührt doch keinen Alkohol an?«
    »Sie weiß nicht, was es ist. Ich habe ihr gesagt, das wäre Medizin, und es ist ja auch eine Art Medizin. Übrigens hatte ich das Etikett abgekratzt.«
    Im Tea-Room hatten sich die Verhältnisse normalisiert. Hier und dort stieß eine Wespe gegen die Fenster, die die Gäste jedoch nicht mehr öffneten. Es hatte sich eine Art Kameradschaftsgeist herausgebildet; die Verletzten zeigten stolz ihre Stiche vor; die Männer, die davongelaufen waren, suchten ihre Schwäche hinter lauten Reden zu vertuschen; die Mädchen, die von ihren Begleitern zur Seite geschoben worden waren, hänselten das »starke Geschlecht«. Lucy ging vom einen zum andern und vergewisserte sich, daß es den Verletzten besser ging. Sie versprach ihren Gästen, daß man das Nest noch am selben Abend ausräuchern werde. Es würden dann keine Wespen mehr in den Tea-Room kommen; das könnten sie all ihren Freunden berichten. Bald waren auch die letzten Insekten von den Fenstern verschwunden, und die Leute wagten sich ins Freie zu ihren Autos. Sie schieden in bester Stimmung und erklärten, das Ganze sei ein richtiges Abenteuer gewesen. Zurück blieb ein schauerliches Durcheinander von beschmutztem und zerbrochenem Geschirr, toten Wespen, vergossener Milch und zerknautschten Tischtüchern. Vicky machte sich an den Aufwasch, und Lucy kehrte die Scherben, Insektenleichen und Kuchenkrümel zusammen. Erst als das Gröbste getan war, fiel ihnen Mrs. Kelston ein. Sie wollten nachschauen, ob die vielen Stiche, die die alte Frau für harmlos hielt, ihr noch zu schaffen machten. Wütend über all die Arbeit und Aufregung betrat Lucy das Zimmer. Sie wollte ihrem Gast ein für allemal beibringen, daß sie sie nun nicht mehr hierbehalten könnten. »Mrs. Kelston«, begann sie, »Sie haben wirklich...« Sie hielt inne und betrachtete entsetzt die reglose Gestalt auf dem Bett. Mrs. Kelston schien bewußtlos zu sein. Ihr zuvor so bleiches Gesicht war jetzt dunkelrot, der Mund stand offen, die Augen waren geschlossen, und sie atmete schwer. Lucy erschrak und rief nach Vicky. »Sie muß einen Anfall gehabt haben. Sie ist anscheinend ohne Bewußtsein. Ich wollte sie wecken, aber sie rührt sich nicht. Vielleicht ist sie allergisch gegen Wespengift. Wir müssen sofort einen Arzt holen. Ich habe mal gehört, daß man binnen kurzer Zeit daran sterben kann.«
    Vicky war starr vor Schreck. Dann nahm sie Mrs. Kelston bei den Schultern und rüttelte sie vorsichtig. »Wachen Sie auf, Mrs. Kelston!« bat sie
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