Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tal der Wiesel

Das Tal der Wiesel

Titel: Das Tal der Wiesel
Autoren: A.R. Lloyd
Vom Netzwerk:
Tier in die Nähe ihrer Wangen, dann beugte sie sich mit einem sanften Abschiedsgruß hinunter und setzte es auf die Erde. »Ein für allemal, hier ist kein Platz für dich, mein Mäuschen. Versuch’s woanders.«
    Scrats Gejammer entging ihr. »Der Winter kommt! Die Zeit wird knapp! Die Tage der Abrechnung sind nah!«
    Der Dachs wagte sich mit seiner Schnauze nach draußen, beschnupperte die Blätter, die heruntergefallen waren, und zog sich wieder zurück. Im Bau war es peinlich sauber, dort lag weder Dreck noch Abfall. Und mollig warm war die Höhle. Die Blätter zeigten sich im ersten Frost des Herbstes dagegen kalt und starr; im Wald, der sich lichtete, war es zugig geworden. Der See auf der Lichtung wirkte eisig. Die Sonne, die bald aufgehen würde, mußte ihn erst noch berühren, und das Wiesel, das über den Wegerich rutschte, nippte nur kurz am Wasser. Der Kopf, der sich auf der Oberfläche spiegelte, drehte sich um; ein zweiter kam dazu, und die beiden tranken gemeinsam.
    Schließlich sagte Wunder: »Ich habe noch niemals solch einen Morgen gesehen, so klar und frostig. Ich wünschte, Einauge wäre hier und könnte es miterleben.«
    »Du hast noch keinen Winter mitgemacht.« Kine kletterte auf das kleine Steilufer. »Der Frost bringt keine Freude, wenn man alt ist. Er zehrt an den Kräften. «
    »Ist egal …«
    »Einauge kannte den Winter. Er hat seine Wahl getroffen.«
    Sie liefen zur Wiese. Sie war silbergrau – die dunklen Maulwurfshügel hoben sich deutlich ab. Wunder machte große Augen. Jeder Grashalm war mit einer kristallenen Schicht überzogen. Als die Sonne aufging, flog die Eule vorbei, die sich auf dem Weg zu ihrem Schlafplatz befand. Sie beobachteten, wie sich der große, blasse Vogel im weißen Dunst auflöste. »Er hat seine Wahl getroffen«, sagte Kine nachdenklich. »Er war eine Kämpfernatur.«
    »Er war ein Held«, flüsterte Wunder. »Ich vermisse sein altes Gesicht.«
    Eichhörnchen liefen flink, den Schwanz hochgestellt, zwischen Eicheln umher. Die Luft war angenehm frisch; als sie sich erwärmte, kam ein Wind auf, der den Gleitflug der fallenden Blätter verlängerte. Die Marsch glänzte. Überall regte sich nun das Leben. Schwärme von Wildenten, die rasch aufstiegen, begrüßten die Sonne mit schwungvollen Rundflügen über das Tal; Schwäne putzten sich auf den Wiesen. Hoch über ihnen ließ der Reiher einen heiseren Schrei ertönen. Die Wiesel sausten über die Anhöhe hinunter.
    »Und Ford und Heath«, fügte Wunder hinzu. »Ich vermisse sie alle.«
    »Sie werden zurückkommen. Im nächsten Frühling wirst du sie wiedersehen.«
    »Ich weiß nicht.« Sie tänzelte anmutig.
    Aber Kine wußte es. »Du wirst schon sehen«, meinte er.
    Die Wieselin zuckte mit den Achseln, und sie liefen an geeggtem Ackerland vorbei, auf dem Kiebitze auf das Auftauen der Oberfläche warteten, um dann frühstücken zu können. Elegante Vögel waren es; sie standen zu Dutzenden zusammen, ihren Schopf schräggestellt, und verharrten geduldig, während die Sonne den Boden für sie erwärmte. Angeregt durch den Frost, machte ein junger Hase einige Luftsprünge. Er hoppelte vorwärts, schnellte sich, berauscht von seinem Talent, in die Höhe und raste weiter. Von seiner eigenen Geschwindigkeit beeindruckt flitzte er dann aus dem Blickfeld.
    »Du wirst schon sehen«, wiederholte Kine. »Sie werden sich an dich erinnern.« Sie würden Kias Tochter nicht vergessen. Er schüttelte nachdenklich seinen Kopf. Um Wunder würde es harte Auseinandersetzungen geben, sagte er zu sich.
    »Wenn ich hier bin. Wer weiß, wo ich dann sein werde.«
    Er blickte sie argwöhnisch an. Dickichte raschelten, aus den Gräben kamen schrille Töne. Man konnte an diesem Morgen nicht weit gehen, ohne das Gequieke der Wühl- und Spitzmäuse zu hören. Wunder sah ihn strahlend an. Eine vereiste Pfütze faszinierte sie, und sie schlitterte auf ihr entlang. »Kia soll viel unterwegs gewesen sein«, rief sie und wirbelte vergnügt herum. »Ich will andere Orte sehen, andere Gegenden kennenlernen. Ich will herumstreifen. Natürlich werde ich zurückkommen.«
    ter herumstreifen?«»Ich habe mich bewährt.«
    »In fremden Gebieten?«
    »Hör auf, dir Sorgen zu machen!« Sie glitt fröhlich schnurrend über das Eis. Plötzlich ertönte ein lautes Knirschen, und Wunder sprang, Entsetzen vortäuschend, auf den sicheren Boden. Sie lachte. »Wenn das der Winter ist, kann es nicht so schlimm sein …«
    »Das ist er nicht, Wunder. Ein früher Frost
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher