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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm
Autoren: Ken MacLeod
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›wir‹?«,
fragte sie herausfordernd. »Sind damit die Sozialisten
gemeint?«
    Logan seufzte. »Nein. Die Arbeiter. Die
Stadtbevölkerung. Wir haben jetzt hundert Jahre lang in
Kriegen, Wirtschaftskrisen, Säuberungen und
Friedensprozessen geblutet, und jedes Mal haben wir nicht nur
unser Bestes dabei verloren. Die, welche noch übrig
sind« – er grinste säuerlich –,
»sind nurmehr der Bodensatz.« Er leerte sein Glas.
»Und dazu gehöre auch ich.«
    »Da habe ich etwas anderes gehört«, meinte
Janis. Sie boxte ihn auf die Schulter, als sie zum Tresen
hinüberging.
    »Was hast du seit der Revolution gemacht?«, fragte
Logan, als sie wiederkam.
    »Cheers… Ich war in der Armee.«
    »Das hab ich gehört«, erwiderte Logan mit
einem schiefen Grinsen. »Und wie lief es so? In letzter
Zeit?«
    Sie überlegte kurz. »Wir ziehen uns
zurück«, räumte sie ein. Das war kein
Geheimnis.
    »Yeah«, meinte Logan. »Das tun wir
alle.«
    Jordan und Cat hatten sich schweigend zu ihnen gesetzt.
Schwarz und Weiß, Links und Rechts, Licht und
Schönheit.
    »Wir dürfen nicht so einfach untergehen«,
protestierte Janis. »Bloß wegen ein paar
zweifelhafter Siege? Die Lage ist widersprüchlich. Na los,
strengt eure Köpfe an! Die Revolution hat stattgefunden. Es
war bloß nicht unsere Revolution. Na und? Ich habe
Moh gekannt; er hat mir das eine oder andere gesagt. Ich
weiß, wie ihr denkt. Ihr fallt immer wieder auf die
Füße.«
    Cat schüttelte den Kopf. »Es geht nicht bloß
um die jüngste Vergangenheit, Janis. Das hat alles vor
langer Zeit angefangen. Hat nicht Engels oder Trotzkij oder wer
auch immer mal gesagt, die Niederlage des Spartakus sei der Sieg
Christi gewesen? Soll heißen, die Niederlage der Sklaven
bedeutete, dass es nicht mehr vorwärts ging, deshalb
wendeten sich die Menschen nach innen.«
    Janis dachte an die Neubürger, an die Barbaren in den
Slumsiedlungen und an den Stadträndern, die aus dem
Müll neue Industrien aufbauten, sich wiederbewaffneten,
Kämpfer anwarben und… recycelten.
    »Es geht nicht bloß um die Wendung nach
innen«, sagte sie. »Das Problem mit unserer
wundervollen Gesellschaft besteht darin, dass sie ständig
Menschen zurücklässt, dass sie haufenweise Menschen
inmitten der Zivilisation zu Barbaren macht. Genau wie damals
Rom. Ihr könnt vom Christentum halten, was ihr wollt, aber
es hat eine neue Weltsicht eröffnet, die jedem Einzelnen
einen Wert beimaß.«
    »Aber das tun die Grünen doch auch! Sie sind
Barbaren, na schön, aber sie sind Barbaren, die sich selbst
zivilisieren. Wie viele Leute kennst du, die imstande sind,
Felder zu bestellen, Verletzungen zu behandeln, Strom zu
erzeugen? Die meisten von uns drücken einen Schalter und
erwarten ganz selbstverständlich, dass es hell wird! Der
durchschnittliche grüne Antitech-Freak beherrscht Dutzende
von Techniken, während wir wie Wilde durch unsere
Städte wandeln.«
    Janis war ganz begeistert von ihrer Ausführung. Über
die düsteres Einverständnis kündenden Blicke der
anderen war sie gar nicht erfreut. Solange man sich einen Reim
auf die Dinge machen konnte, bestand immer noch Hoffnung. Das
würden sie bald schon sehen… und bis dahin: carpe
diem!
    »Ach, Scheiße, das Thema ist einfach zu
bedrückend für eine Hochzeit! Her mit einem
Joint!«
    Sie bauten einen. »Wo ist der neue Messias,
hm?«
    Jordan blickte sich über die Schulter um. »Hier ist
er nicht.«
    Alle lachten.
    »Was sollen wir machen?« Janis inhalierte tief.
»Den Scherz habe ich schon mal gehört.«
    »Wir halten stand«, sagte Jordan. »Notfalls
predigen wir den Barbaren Vernunft.«
    Logan zuckte die Achseln. »Ich fliege morgen
zurück. Wir haben eine unabhängige Raumstation. Neuer
Ausblick. Ihr solltet sie euch mal anschauen. Ihr solltet den
Ausblick genießen. Und wir haben Raumschiffe. Von der
Weltraumverteidigung geklaut. Kriegszustand – die kriegen
sie auf keinen Fall zurück. Wir haben ein Auge auf den Mars
geworfen. Auf den roten Planeten.« Er legte den Kopf
schief, musterte Janis wie ein aufgeweckter Affe. »Du bist
Biologin.«
    »Ach, geh. Okay, okay. Ich werd drüber
nachdenken.« Sie lächelte strahlend und wandte sich an
Jordan und Cat. »Das habe ich euch noch gar nicht gefragt:
was habt ihr eigentlich während der Revolution
gemacht?«
     
    »… und dann sagte sie etwas Eigenartiges. Ich
glaube, sie wollte uns verwirren, unser gegenseitiges Misstrauen
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