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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien
Autoren: Britta Hasler
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wonach sie fragen mussten. Es war schnell klar, dass alles, was der Kranzer gesagt hat, den feinen Herrn Hofrat in die Sache mit hineingezogen hat.“
    „Er hat den Grimminger umgebracht, nicht?“, fragte Julius.
    Wieder nickte Tscherba.
    „Aber warum?“, fragte Julius weiter. „Damit konnte der Hofrat … was auch immer er getrieben hat, nicht mehr weitermachen. Er brauchte den Grimminger doch.“
    Tscherba hob die Hände. „Langsam, langsam, Pawalet, jetzt lassen Sie mich doch alles der Reihe nach erzählen. Sie hatten recht mit Ihrer Vermutung. Den entscheidenden Hinweis hat allerdings die Aussage des Hofrats ergeben, als man ihn fragte, warum er mit einer erstklassigen Rubens-Fälschung im Gepäck nach Triest abgehauen ist. Als er das mit der Fälschung hörte, ist ihm die Kinnlade runtergefallen, und er hat gesagt: ‚Wieso Fälschung?‘
    Das hat als Indiz gereicht. Der Herr Blauenstein hat daraufhin eine Untersuchungskommission eingerichtet, die die Gemälde im Museum überprüft hat. Und jetzt halten Sie sich fest, Julius.“
    Julius krallte die Hände in das Bettlaken.
    „Es wurden 28 gefälschte Gemälde entdeckt!“
    Julius schloss die Augen. „28 …“, murmelte er.
    „Also, ich kenne mich damit ja nicht aus, aber es sind ein paar wirklich wichtige Werke dabei. Von Brueghel, Raffael und Rubens und noch von ein paar anderen Malern. Es wurden aber nur Gemälde gefälscht, die ein mittelgroßes oder kleines Format hatten. Bei den ganz großen Bildern wäre es zu auffällig gewesen.“
    „Wer waren die Abnehmer dieser Bilder?“, krächzte Julius. „Wer hat an so etwas Interesse, und woher kannte Schattenbach diese Leute?“
    „Er hat es uns verraten, der Herr Hofrat“, sagte Tscherba. „Wir mussten allerdings ganz schön Druck machen, damit er geredet hat. Der Mann hat bis zum Schluss versucht, alles abzustreiten. Aber als dann der Kranzer ausgepackt hat, wurde es eng für Schattenbach. Er hat verraten, dass der Hofrat die Ermordung Ihres Vaters und Grimmingers angeordnet und Kranzer fürstlich dafür entlohnt hat. Von Schattenbach hatte Kontakte auf der ganzen Welt, aber vor allem in Amerika. Dort sitzt irgendein Immobilien-Mogul, der so viel Geld hat, dass er nicht weiß, wohin damit. Und der Hofrat hat bei diesem Mann anscheinend astronomische Schulden. Dieser Amerikaner hat halbseidene Kontakte in die Unterwelt auf allen Kontinenten. Er hat Gemälde nach Bombay, Shanghai, Moskau und Havanna geschmuggelt. Und der arme Schattenbach war seine gehorsame Marionette. Können Sie sich das vorstellen, Pawalet?“ Tscherbas Stimme klang so ungläubig, als könnte er das ganze Ausmaß des Skandals immer noch nicht fassen.
    „Und was geschieht nun mit dem Museum?“, fragte Julius.
    „Nun, momentan streitet man sich darüber, ob die Presse darüber schreiben darf. Der Schaden für den Ruf des Kunsthistorischen Museums wäre unabsehbar. Man versucht, diesen Auftraggeber festzusetzen. Das ist aber Sache der Behörden in New York. Und dann wird die Suche nach den gestohlenen Originalen beginnen. Wer weiß, in welchen Villen überall auf der Welt die Bilder verteilt sind.“
    „Aber warum hat Schattenbach Grimminger töten lassen?“, fragte Julius erneut. „Das hätte das Ende dieser Geschäfte bedeutet.“
    „Das stimmt. Er hat gesagt, dass Grimminger alles verraten wollte. Und dass der Mord eine Affekthandlung gewesen sei. Wissen Sie, Schattenbach ist in den letzten Jahren wohl zu sehr unter Druck geraten. Er wurde schlampig und fahrig und hat immer mehr die Kontrolle verloren. Er sah sich gezwungen, Ihren Vater zu ermorden, einen Kunstexperten in den Selbstmord zu treiben und sogar seine Frau – die übrigens spurlos verschwunden ist seitdem – als Helfershelferin zu missbrauchen. Er hatte sich einen ganzen Hofstaat an Schergen aufgebaut, aber irgendwann musste das alles ja zusammenbrechen.“
    Die Erwähnung Luises fiel schwer in Julius’ Bewusstsein. Was mochte Luise von Schattenbach jetzt wohl tun? Wo war sie jetzt, ohne ihren Ehemann.
    „Aber eins verstehe ich nicht“, sagte Julius. „Warum hat Kinsky dann das Original der Medusa im Museum gelassen und dem Hofrat die Fälschung mitgegeben. Ich meine, dieses Bild war ja noch nicht einmal vollständig getrocknet. Das wäre jedem aufgefallen!“
    Tscherba nickte. „Das ist uns ebenfalls ein Rätsel. Ich habe die Vermutung, der Direktor war ein äußerst labiler Mann. Er hat seit Jahren getrunken. Und er wurde von Schattenbach erpresst
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