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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien
Autoren: Britta Hasler
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verkrustete Fläche wahr. „Sie haben viel Blut verloren. Der Wahnsinnige hat Ihnen ja fast die Eingeweide rausgeschnitten. Jedenfalls verheilt der Schnitt gut. Sie werden allerdings noch ein wenig bei uns bleiben müssen.“
    „Was ist mit Inspektor Lischka?“, hauchte Julius.
    Wie erwartet erstarb das aufmunternde Lächeln im Gesicht des Arztes, und er wurde ernst.
    „Tja, Ihr Freund hatte nicht so viel Glück.“
    „Er ist tot, nicht wahr?“
    „Nein, aber er schwebt immer noch in Lebensgefahr. Diese Eisenstange … Sie hat den linken Lungenflügel durchbohrt. Die Lunge ist zusammengefallen. Pneumothorax. So was kann man überleben. Aber nur mit etwas Glück. Inspektor Lischka liegt auf der Station für Schwerstverletzte. Aber er hat die letzten Tage überlebt, also denke ich, dass seine Chancen ganz gut stehen.“
    Julius nickte. Er spürte, wie Tränen der Dankbarkeit ihm in die Augen stiegen.
    Der Arzt tupfte eine rotbraune Tinktur auf Julius’ Bauchwunde und verband sie sorgfältig.
    „Haben Sie Hunger?“, fragte er. Julius nickte erneut.
    „Nun, feste Nahrung ist momentan noch nicht erlaubt, mein Freund. Ihr Darm war verletzt und soll erst in ein paar Tagen die Arbeit wiederaufnehmen. Aber wie wäre es mit einer Kraftbrühe?“
    „Wo ist Johanna Kowak?“, fragte Julius statt einer Antwort. „Sie war Krankenschwester hier.“
    „Johanna Kowak? Ja, nun, das Mädel hat vor ein paar Tagen ihre Stelle gekündigt.“
    „Was?“, entfuhr es Julius. „Aber warum?“
    Der Arzt hob ratlos die Schultern. „Sie hat angegeben, sie habe eine andere Anstellung gefunden. Vielleicht ist sie in die Privatpflege gegangen. Dort wird so eine junge Frau besser bezahlt als bei uns.“
    Julius wusste nicht recht, ob ihm diese Auskunft gefiel.
    Der Arzt verabschiedete sich, doch kurz bevor er aus der Tür war, sagte er: „Ach, da ist noch ein Polizist, der fragt seit Ihrer Einlieferung jeden Tag, ob Sie wieder ansprechbar sind.“
    „Heißt er zufälligerweise Leutnant Tscherba?“, stöhnte Julius.
    ***
    Nachdem eine Krankenschwester ihn liebevoll mit einer köstlichen, heißen Fleischbrühe gefüttert hatte, klopfte es an die Tür.
    Leutnant Tscherba nahm sich wortlos einen Stuhl und setzte sich an Julius’ Bett.
    Julius konnte kaum die Augen offenhalten, so erschöpft fühlte er sich nach der Mahlzeit. Doch was Tscherba dann zu ihm sagte, ließ ihn schlagartig wieder wach werden.
    „Pawalet, ich bin hier, um mich offiziell und in aller Form bei Ihnen zu entschuldigen.“ In seinem Gesicht stritten sich amtliche Ernsthaftigkeit und ein versöhnliches Lächeln um den Vorrang.
    Julius wusste nicht, was er sagen sollte.
    „Es ist mir eine Ehre, sagen zu dürfen, dass ohne Sie einer der größten Skandale in der Geschichte der Wiener Kunstmuseen niemals aufgedeckt worden wäre.“
    Deswegen war Tscherba also gekommen. Und Julius hatte schon gedacht, er wollte ihm zu seinem Triumph über den Mörder gratulieren. Er krächzte: „Dann haben Sie also etwas herausgefunden?“
    Tscherba nickte und rückte mit dem Stuhl näher ans Bett. Plötzlich sah er aus wie ein Junge, der seinem Freund nachts im Schlafsaal eines Internats ein Geheimnis anvertrauen will. „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, gestand er mit verlegenem Lächeln.
    „Sagen Sie mir, ob ich recht hatte“, forderte Julius, und Tscherba nickte zerknirscht. Dann begann er zu erzählen.
    „Das Museum wurde in der letzten Woche einer gründlichen Untersuchung unterzogen. Man hat Restauratoren und Experten aus der ganzen Monarchie herberufen, um alle Bilder zu prüfen.“
    „Aber warum?“, fragte Julius.
    „Weil Kranzer ausgepackt hat. Er wurde in jener Nacht von meinen Kollegen in die Stadt zurückgebracht, und dabei fiel auf, dass der Revolver, den er bei sich hatte, zu einer Waffenladung gehörte, die vor einem Jahr aus dem k. u. k. Artillerie-Arsenal gestohlen wurde. Tja, somit ist der Kranzer erst mal ins Gefängnisspital gewandert und danach hinter Gitter. Und dann kam nach und nach raus, dass der Mann erheblich mehr Dreck am Stecken hat, als wir zu diesem Zeitpunkt geahnt haben. Er ist kein sehr verschwiegener Verbrecher“, stellte Tscherba zufrieden fest.
    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kranzer einfach so alles ausgeplaudert hat“, wandte Julius zweifelnd ein.
    „Hat er auch nicht. Er hat sich nur so arg in Widersprüche verwickelt, dass es sehr verdächtig wurde. Und allmählich wussten die Kollegen, die ihn verhört haben,
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