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Das Spiel geht weiter

Das Spiel geht weiter

Titel: Das Spiel geht weiter
Autoren: Nora Roberts
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Sie hatte es geschafft, Gerald zu entkommen. Und sie war endlich, mit dreiundzwanzig Jahren, ganz auf sich gestellt.
    Ihren Koffer ließ sie im Wagen und nahm nur die vollgestopfte Einkaufstasche mit, die alles enthielt, was ihr wirklich wichtig war. Dann machte sie sich zu Fuß auf den Weg. Sie hatte die Brücken hinter sich abgebrochen. Jetzt würde sie endlich sehen, was hinter der nächsten Ecke lag.

    Sie brauchte eine Stunde, um an ihr Ziel zu gelangen. Sie hätte nicht erklären können, warum sie weiter an der Landstraße 15 entlangtrottete, fort von der verstreuten Ansammlung von Motels und auf die glitzernde Skyline von Las Vegas zu. Sie wusste nur, dass sie dort sein wollte, wo all die bunten Lichter blinkten.
    Die Sonne schickte sich an, hinter den westlichen Spitzen der roten Berge zu versinken. Darcys unaufhaltsam wachsender Hunger hatte sich in einen dumpfen Schmerz verwandelt. Sie erwog, irgendwo eine Pause einzulegen, um einen Happen zu essen und sich ein bisschen auszuruhen, aber es hatte etwas Beruhigendes an sich, einfach monoton einen Fuß vor den anderen zu setzen, den Blick auf die spektakulären Hoteltürme gerichtet, die in der Ferne glitzerten.
    Wie sie wohl von innen aussahen? Sie malte sich eine knisternde Atmosphäre aus, mit einem Anflug von Verruchtheit, in der das Spielfieber sich umtrieb. Sie würde sich in einer dieser mit allem Prunk ausgestatteten Lasterhöhlen einen Job suchen und bei jeder Show in der ersten Reihe sitzen.
    Oh, wie sehr hungerte sie danach, neue Erfahrungen zu sammeln und zu leben.
    Sie wollte die Menschen sehen, den Lärm hören und den Trubel empfinden. Alles genau das Gegenteil ihres bisherigen Lebens. Am meisten aber sehnte sie sich danach, zu fühlen – starke, aufwühlende Gefühle, überschäumende Freude, prickelnde Erregung. Und über all das würde sie schreiben, beschloss sie, während sie das Gewicht der großen Tasche auf ihrer Schulter verlagerte, in der sich ihre Notizbücher und Manuskriptseiten befanden, die sich plötzlich in Steine verwandelt zu haben schienen. Sie würde sich ein kleines Zimmer nehmen und dort nach der Arbeit all ihre Erlebnisse zu Papier bringen.
    Dann hatte sie die Stadt erreicht. Vor Erschöpfung stolperte sie über einen Bordstein, aber sie fing sich gerade noch. Die Straßen waren dicht bevölkert, jeder schien irgendwohin zu müssen. Jetzt, in der Abenddämmerung, blinkten und funkelten die Lichter der Stadt, schienen jeden zu locken: Komm näher, versuch dein Glück.
    Sie erblickte Touristenfamilien – Väter in kurzen Hosen, die bloßen Beine verbrannt von der unbarmherzigen Sonne, Kinder mit staunenden großen Augen, Mütter, leicht hektisch und aufgeregt von den vielen Eindrücken.
    Darcys eigene goldbraune Augen waren groß und wirkten trübe vor Müdigkeit. Ein von Menschenhand gemachter Vulkan brach in einiger Entfernung aus, zog Zuschauer an und entlockte ihnen erstaunte Ausrufe. Der Tumult übertönte das seltsame Summen, das sie ständig hörte.
    Verwundert und verwirrt wanderte sie ziellos umher, bestaunte die riesigen nachgebauten römischen Statuen, blinzelte ins Neonlicht, schlenderte an Springbrunnen vorbei, die Wasser in wechselnden Farben ausspien. Es war ein Märchenland, laut und knallig, bunt und unverfroren, und sie fühlte sich so verloren wie Alice im Wunderland.
    Darcy fand sich vor zwei riesigen Türmen wieder, weiß schimmernd wie der Mond, die durch eine gewölbte Brücke mit Hunderten von Fenstern miteinander verbunden waren. Der Gebäudekomplex war von einem Meer wilder, exotischer Blumen umgeben, in dessen Mitte ein kristallklarer See lag, der aus einem rauschenden Wasserfall gespeist wurde.
    Der Eingang des Hotels wurde von einem überdimensionalen Indianerhäuptling auf einem goldenen Hengst bewacht. Sein Gesicht und seine entblößte Brust waren aus glänzendem Kupfer. Sein prächtiger Kriegsschmuck war mit glitzernden roten, blauen sowie grünen Steinen besetzt. In der Hand hielt er einen Speer mit einer feuerrot blinkenden Spitze.
    Er ist schön, schoss es ihr durch den Kopf, so stolz und furchtlos.
    Sie hätte schwören mögen, dass die dunkelgrünen Augen der Statue jetzt aufblitzten und sie anschauten. Ja, sie herausforderten, das Gebäude zu betreten und ihr Glück zu wagen.
    Darcy betrat das »Comanche« mit weichen Knien und schwankte bei dem Schwall kühler Luft, der ihr entgegenschlug, gleich wieder einen Schritt zurück.
    Die Eingangshalle war großartig. Die Steinplatten des
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