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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall
Autoren: Tanja Kinkel
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war allgegenwärtig. Papst Innozenz III., dem die Leser in meinem Roman begegnen werden, verschärfte die Lebenssituation der Juden 1215 – drei Jahre nach dem Ende meines Romans – durch strenge Kleiderordnungen und die Umsiedlung in Ghettos noch einmal deutlich. Juden war es vorher schon verboten, Waffen zu tragen, was sie in diesen gewalttätigen Zeiten absolut schutzlos machte und zum leichten Opfer für alle, die sich an ihnen bereichern wollten oder einen Sündenbock suchten.
    Allgemein bekannt ist, dass den Juden die Zünfte nicht offenstanden und sie sich deswegen auf Handel und Geldverleih konzentrierten, da sie – im Gegensatz zu Christen – Zinsen verlangen durften. Was viele nicht wissen: Schulden, die ein Christ bei einem Juden hatte, konnten von Geistlichen und weltlichen Fürsten für ungültig erklärt werden – was häufig geschah, wenn diesen ihre immer eingeschlossene Beteiligung an den Zinserlösen nicht mehr reichte. Steuer auf Zinseinnahmen waren übrigens ein ganz legaler Weg, um das eigene Zinsverbot zu umgehen, und die Juden standen trotzdem weiterhin als Sündenböcke für die Wucherei da.

    Unterwegs im Deutschen Reich
    Die Größe des Deutschen Reichs, in dem mein Roman spielt, wird einige Leser sicher überraschen. Tatsächlich war es nie größer als zu Walthers Zeit und reichte mit all seinen Herzogtümern – nur unterbrochen durch den kleinen Kirchenstaat – von der Nordseeküste bis einschließlich zur Insel Sizilien, von der Rhône im Westen bis weit nach Tschechien und Polen hinein.
    Kaiser und Könige hatten zu dieser Zeit noch keine feste Residenz. Sie zogen von Pfalz zu Pfalz; da, wo sie gerade lebten, war die Hauptstadt. Diese Aufenthaltsorte konnten wegen der vielen Menschen immer nur eine kurze Zeit bewohnt werden, da diese sich regelmäßig innerhalb der Gebäude erleichterten, wo sie gingen und standen. Der Gestank vertrieb nach einigen Wochen automatisch die Bewohner, bis hinter ihnen saubergemacht werden konnte.
    Abgesehen von den alten römischen Heer- und Handelsstrecken, die etwa 240 Zentimeter breit waren, gab es kaum Straßen, auf denen man vernünftig reisen konnte; dies ist wohl auch der Grund, warum Richard Löwenherz nicht nur in meinem Roman, sondern auch in der Realität in der Nähe des feindlich gesinnten Wiens landete – die Alpen waren im Winter unpassierbar, und es gab einfach keinen anderen Weg. Mit einem Wagen kam man auf guten Wegen pro Tag durchschnittlich fünfundzwanzig bis dreißig Kilometer voran, mit dem Pferd ungefähr die doppelte Strecke. Daran kann man ermessen, wie lange und beschwerlich für Judith beispielsweise die Reise von Salerno nach Wien gewesen ist.

    Zahlungsmittel
    Jahrhunderte vor dem Euro wurde im damaligen Europa mit der Silbermark be- und umgerechnet. Wer dabei an eine Münze denkt, irrt: Es war eine Maßeinheit, die einem Silberbarren von etwa 234 Gramm entsprach. Die Silbermark war unterteilt in 256 Pfennige oder 512 Heller; ein Pfennig bestand also aus 0,914 Gramm Silber, dem aber oft andere Legierungen beigemischt wurden. Wenn man einen dieser Pfennige auf die heutige Kaufkraft umrechnet, hätte er einen Wert von ungefähr 30 Euro. So kosteten zum Beispiel zehn Hühner einen Pfennig, ein Schwein schon 30 Pfennige, etwa 900 Euro. Ein hochwertiges Schwert schlug mit zwei Silbermark zu Buche, also 13500 Euro, ein Pferd war dann mit bis zu vier Silbermark, also rund 27000 Euro, sogar für einen gutsituierten Menschen sehr, sehr teuer. Ein Bauernhof schließlich kostete zu dieser Zeit zwischen 10 und 20 Silbermark, also etwa 70000 bis 140000 Euro – es sei denn natürlich, man hatte die Möglichkeit, den Bauern über den Tisch zu ziehen, wie es in meinem Roman erwähnt wird.
    Was man in diesem Zusammenhang nicht vergessen darf: Viele Knechte und Mägde wurden auf ihren Höfen versorgt, bekamen aber keinen zusätzlichen Lohn, und das galt in den Städten auch für Verwandte, die noch zu Hause wohnten und vom Hausherrn ausgenutzt wurden. Das Bezahlen mit Geld, so wie wir es heute kennen, kam damals erst langsam in Mode, und Münzen waren nichts, was jeder immer zur Hand hatte. Tatsächlich wurden sie sogar häufig geteilt oder geviertelt, um so einen kleineren Wert verrechnen zu können.

    Die Freiheit des Schriftstellers
    Natürlich halte ich mich in meinen Büchern so eng wie möglich an die historischen Fakten – aber ich schreibe Romane, keine Sachbücher. So sind viele Figuren in »Das Spiel der Nachtigall« frei
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