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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall
Autoren: Tanja Kinkel
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Niemals.«
    Eigentlich hatte er nichts gegen den Mann, es ärgerte ihn nur, dass die Wirtin und die anderen eine offensichtliche Lüge als wahr hinnahmen, wenn sie von so einem eingebildeten Kerl kam, aber nicht, wenn jemand wie er die Wahrheit nur ein ganz klein wenig zurechtbog. Deswegen überwältigte ihn das Ergebnis, das seine Worte erzielten. Im Schankraum war es ruhiger und ruhiger geworden. Dem Fremden war durch Walthers ausgestreckten Arm wohl klargeworden, dass von ihm die Rede war, aber sein Gesicht mit dem rotblonden Bart wirkte nicht erzürnt, sondern eher erstaunt. Er beugte sich zu einem seiner Begleiter, der eine Priesterkutte trug. Dieser flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Inzwischen standen tiefe Falten auf der Stirn der Wirtin. Als der Mann im blauen Mantel sich umdrehte, um der Aufmerksamkeit der Leute in der Gaststube zu entgehen, stellte sie sich ihm rasch in den Weg. »Nichts für ungut, Herr«, sagte sie. »Aber ich habe wirklich noch kein Geld von Euch gesehen.«
    Der Mann machte eine Handbewegung, die wohl bedeuten sollte, sie möge zur Seite treten, doch die Witwe blieb, wo sie war. Einer ihrer Söhne, der gerade noch frische Brotlaibe verteilt hatte, eilte an die Seite seiner Mutter.
    »Gute Frau, Ihr werdet bekommen Euer Geld«, sagte der Begleiter in der Kutte mit starkem Akzent; die Wortstellung machte klar, dass die deutsche Zunge nicht die seine war. Nun begriff Walther auch, warum der Mann im blauen Mantel nicht erzürnt schien: Er sprach kein Deutsch und brauchte den Priester zum Übersetzen.
    »Jetzt«, beharrte die Wirtin. »Ich will es jetzt sehen.«
    Einige Männer in der Schenke erhoben sich. Es kam Walther in den Sinn, dass nun die Gelegenheit war, sich vor der Witwe als Held zu beweisen, denn der Blaubemäntelte hatte zehn Begleiter, und wenigstens fünf davon schienen Schwerter zu tragen, wenn Walther die Ausbuchtungen unter ihren Mänteln richtig deutete. Niemand sonst in der Schenke war bewaffnet. Schwerter waren etwas für Waffenknechte im Krieg, Bauern durften sie überhaupt nicht besitzen; sie waren etwas für Ritter, oder Räuber.
    »Gebt unserer holden Wirtin ihr Geld, dann ist alles gut, Fremder«, sagte er begütigend, aber wie sich herausstellte, war es einfacher, mit Anklagen die Aufmerksamkeit von Menschen zu erringen, als diese mit Worten in eine ruhige Richtung zu lenken. Niemand im Schankraum achtete mehr auf ihn, alle starrten auf die Wirtin und die Fremden um den rotblonden Gast.
    »Zahlen!«, rief irgendjemand, und sofort nahm der Rest im Raum das Wort auf und schrie laut: »Zahlen, zahlen!«
    »Setz dich, um Himmels willen«, zischte Markwart, was in dem Rumoren zum Glück niemand außer Walther hörte. Selbst die Mönche schauten wie gebannt auf den Fremden, der schließlich die Achseln zuckte und einem seiner Begleiter zunickte. Dieser holte einen gut gefüllten Beutel unter seinem Mantel hervor. Von seinem Platz aus konnte Walther nicht erkennen, was er daraus zog, aber er sah sehr wohl, dass die Falten nicht von der Stirn der Wirtin wichen.
    »Das ist nicht unser Geld«, sagte sie zu Walthers Überraschung.
    »Es ist eine byzantinische Goldmünze«, gab der Priester empört zurück.
    »Davon kann ich mir hier nichts kaufen«, beharrte die Wirtin. »Ich will mit ordentlichem Geld bezahlt werden.«
    Einer der Mönche räusperte sich. »Mit Verlaub, uns ist das Problem nicht unvertraut. Gar mancher, der in den letzten Monaten vom Kreuzzug wiederkehrte, hat sein Geld irgendwo umtauschen müssen. In Wien gibt es …«
    Leider war das der Moment, in dem der als Zechpreller verdächtigte Blaumantel die Geduld verlor und einen wütenden Strom von Worten von sich gab, die niemand im Raum außer seinen Begleitern verstand. Walthers Phantasie reichte immerhin so weit, dass er ahnte, was gesagt wurde. Auch das nun zornige Gesicht des Mannes brauchte keine Übersetzung. Und da waren immer noch die bewaffneten Begleiter.
    Der Sohn der Witwe stand neben seiner Mutter und war es gewiss schon gewohnt, betrunkene Gäste hinauszuwerfen, aber was der Mönch über Kreuzfahrer gesagt hatte, klang gar nicht gut. Wenn es sich bei dem Blaumantel und seinen Leuten um Kreuzfahrer handelte, die sich aus irgendwelchen Gründen als Kaufleute ausgaben, obwohl sich jeder geehrt fühlen würde, wenn sie das Kreuz offen auf ihren Mänteln getragen hätten, dann waren sie Kämpfe mit den grausamen Heiden gewohnt und hatten mit Schankwirten und ein paar Gästen leichtes Spiel.
    »Edler
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