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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall
Autoren: Tanja Kinkel
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dem Bann Bescheid wissen wollte. Es würde schlimm genug sein, wenn es wirklich dazu kam. Wenn der Papst den Bann über einen Fürsten aussprach, dann waren auch alle Untertanen betroffen; das bedeutete, dass das Seelenheil vieler auf dem Spiel stand. Auch sein eigenes, denn Walther hoffte, längere Zeit in Wien zu bleiben am Hof jenes Herzogs, der nur wenige Schritte von ihm entfernt stand; Walther stammte aus der Nähe von Bozen, doch deren Herr, der Herzog von Bayern, war nicht als Musenfreund berühmt, also war Wien das lohnendere Ziel für ihn. So musste er darauf setzen, dass Leopold recht behielt.
    Walther beäugte den entlarvten Peregrinus. In der letzten Stunde war der Mann sehr umgänglich gewesen. Er schien eine aufrichtige Vorliebe für Dichtung und Gesang zu haben, doch eigentlich gab es wirklich keinen guten Grund, warum sich ein König in einer gewöhnlichen Schenke herumtreiben und den übrigen Gästen den Raum wegnehmen sollte, statt in Glanz und Gloria von Burg zu Burg, von Pfalz zu Pfalz zu ziehen. Könige sollten Hoffeste feiern und dabei Sänger beschenken, nicht Länder um ihre Seligkeit und Wirtsleute um ihren Hausrat bringen.
    »Geld war alles, was ich wollte, und nun werde ich es bestimmt nicht mehr bekommen«, seufzte die Wirtin.
    Auf einmal hatte Walther einen weiteren Einfall. »Wenn Ihr Euer Geld doch noch bekommt, gewährt Ihr mir dann einen Kuss?«
    Sie musterte ihn überrascht, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und sagte dann mit einem amüsierten Lächeln: »Nun, warum nicht.«
    Inzwischen hatte sich König Richard offenbar entschlossen, das Unvermeidliche nicht länger hinauszuzögern, und übergab dem Herzog sein Schwert. Seine Begleiter ließen ihre Mienen wie die Schultern hängen, da es nicht in ihrem ritterlichen Sinne schien, die Waffen nach so kurzem Kampf bereits zu strecken. Trotzdem, binnen kurzem würden sie und die Leute des Herzogs die Schenke verlassen. Jetzt oder nie, dachte Walther, quetschte sich an zwei gerüsteten Männern vorbei und schaffte es gerade noch, sich zwischen dem Herzog und dem König auf die Knie fallen zu lassen. Seine Kehle schmerzte noch etwas von der Misshandlung, die ihr vorhin zuteilgeworden war, doch er sprach klar und deutlich auf Deutsch: »Edler Herzog, Eure treue Untertanin, die Wirtin dieser Herberge, hat ihren Lohn noch nicht erhalten, und daher bitte …«
    »Welchen Lohn?«, knurrte Leopold. Aus der Nähe wirkte er sehr einschüchternd: Sein dunkler Bart war mit grauen Strähnen durchzogen, und seine Haut war dunkler, als Walther es je zuvor gesehen hatte; später erfuhr er, dass die Mutter des Herzogs aus Byzanz stammte. Die braunen Augen, deren Äderchen rot angeschwollen waren, blickten keineswegs freundlich. »Dafür, dass sie meinen gottverfluchten Feind beherbergt hat, den ich überall habe suchen lassen?«
    Es war Walther, als ob heute ein Fluch auf ihm lastete: Alles, was er begann, machte die Lage nur noch schlimmer. Nein, so dachte nur Markwart. Es galt, das richtige Wort zu finden und die Gelegenheit zu nutzen, die sich ihm bot. So entstanden Lieder! Wenn ein Wort nicht passte, den falschen Klang hatte, niemandem zu Herzen ging, dann fand man eben ein anderes. Wenn die Zuhörer schlecht gestimmt waren, dann … dann lenkte man die schlechte Stimmung einfach von sich weg.
    »Dafür, dass sie Euren Feind so lange hingehalten hat, bis Ihr Gerechtigkeit walten lassen konntet«, gab Walther zurück. »Herr, er wollte heute Morgen gleich aus dem Haus, da hielten diese tapfere Frau und ich ihn zurück. Jeder hier im Raum kann das bestätigen.«
    Der Mann aus Richards Gefolge, der Walther vorhin an der Kehle gepackt hatte, verstand offenbar genug Deutsch, um sich sofort wutschnaubend auf Walther zu stürzen. Ein besseres Zeugnis hätte er sich gar nicht wünschen können, zumal es ihm diesmal gelang, sich rechtzeitig wegzuducken, ehe sein Angreifer von den Leuten des Herzogs gepackt und zurückgestoßen wurde.
    »Es stimmt«, warf einer der anderen Gäste ein. »Die Wirtin hat nämlich das Geld für die Nacht haben wollen, und der junge Mann hier …«
    »… hat sofort gespürt, dass etwas mit dem angeblichen Kaufmann nicht stimmen konnte«, setzte Walther hastig hinzu.
    »Herr, wir sind benachrichtigt worden, weil ein einfacher Priester gleich fünf Münzen byzantinischen Goldes umtauschen wollte«, sagte einer der Leute des Herzogs.
    »Dann seid Ihr meinem Knappen nicht begegnet?«, fragte Walther mit nur halb gespielter
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