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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall
Autoren: Tanja Kinkel
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Walther schluckte. Sie hatte recht. Ganz gleich, wer sich hier durchsetzte, für den Hausrat der Wirtin würde keiner aufkommen.
    »Es tut mir …«, begann er, als Peregrinus seine Stimme erhob und offenbar seinen Anhängern in der welschen Zunge befahl, ihre Waffen niederzulegen. Dann schritt er auf den Mann mit dem herzoglichen Wappen zu und sagte formell auf Latein: »Wir stehen unter Gottes Schutz. Das wisst Ihr am besten. Was Ihr hier tut, ist Sünde.«
    »Ihr habt es nötig, von Sünde zu reden«, gab der andere in einem Latein zurück, das nicht weniger geschmeidig klang, und schnaubte verächtlich. »Ehrabschneider! Ergebt Euch jetzt, dann werde ich dem Rest der Welt nicht erzählen, dass ich Euch als Küchenjunge in einer Schenke gefunden habe. Oder lasst es und schlagt Euch noch eine Weile, aber bezahlen werdet Ihr für Akkon, o ja. So ein Lösegeld hat die Welt noch nicht gesehen wie das, was ich für Euch fordern werde!«
    Als die Bedeutung dessen, was der Mann da sagte, Walther klarwurde, fiel ihm das Kinn hinunter. Wenn an Ort und Stelle ein Löwe in die Schenke spaziert wäre, dann hätte ihm das nicht wundersamer erscheinen können.
    Ein heftiger, kurzer Schmerz machte Walther darauf aufmerksam, dass die Wirtin ihn gerade in die Wangen gezwickt hatte. »Was sagen sie?«, flüsterte sie. »Und mach den Mund wieder zu, er hängt dir so weit offen, dass Tauben hineinfliegen könnten.«
    »Frau Wirtin«, entgegnete Walter leise, »wenn ich mich nicht sehr täusche, dann habt Ihr den Herzog selbst in Eurer Schenke …«
    »Aber warum sollte denn der Herzog …«
    »… und den König der Engländer.«
    Jetzt war es an ihr, den Mund nicht mehr schließen zu können.
    Walther hatte die Geschichte gehört, natürlich hatte er sie gehört, doch nicht viel darauf gegeben. Am Anfang des Monats, gerade, als Markwart und er die Berge hinter sich gelassen hatten, da verbreiteten sich die ersten Gerüchte, dass man den König von England in Kärnten gesehen haben wollte, oder in Bruck an der Mur, wie andere erzählten, und dass der Herzog Leopold befohlen hatte, ihn gefangen zu nehmen. Der Herzog selbst war schon vor einem Jahr aus dem Heiligen Land heimgekehrt, obwohl der Kreuzzug damals noch längst nicht beendet war. Den Grund dafür erzählte man sich bald auf jedem Marktplatz: Bei der Erstürmung von Akkon hatte der Herzog seine Fahne neben die der Könige von England und Frankreich aufgestellt; Richard, den man Löwenherz nannte, hatte sie abnehmen und vom Burgturm werfen lassen. Weil es einem Herzog nicht gebühre, sich auf die gleiche Stufe mit Königen zu stellen, so hatte er gesagt – weil er den Österreichern keinen gleichen Anteil an der Beute gönnte, grollte der Herzog, der ihm deswegen ewige Rache schwor. Warum allerdings der König von England ausgerechnet über Österreich in sein Königreich zurückkehren sollte, konnte sich Walther nicht vorstellen. Er war kein Kartenzeichner, doch er war sich sicher, dass es einfachere Wege vom Heiligen Land nach England geben musste, oder auch nach Aquitanien und in die Normandie, die gleichermaßen zu Richards Reich gehörten. Deswegen hatte ihm das Gerücht vom gejagten König zwar gefallen, weil es eine spannende Geschichte war, aber geglaubt hatte er sie nicht. Bis jetzt. Bis zu dem Zeitpunkt, als Peregrinus kühl sagte: »Alles Geld der Welt wird Euch nicht helfen, wenn der Papst den Bann über Euch spricht, und das wird er, wenn Ihr Hand an einen Kreuzfahrer legt, ehe der seine Pilgerfahrt beendet hat.«
    Der Herzog lachte. »Prahlt Eure Familie nicht damit, vom Teufel selbst abzustammen? Euer Vater hat einen Erzbischof vor dem Altar umbringen lassen, und Ihr, Ihr habt die Waffen gegen Euer eigenes Fleisch und Blut erhoben. Der Papst weiß, wer Ihr seid, und er weiß, was für ein guter Christ ich bin.« Nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: »Und der Kaiser weiß, dass ich sein treuer Untertan bin. Nein, ich bin im Recht. Es gibt nichts und niemanden, den ich fürchten muss. Ergebt Ihr Euch, oder wollt Ihr noch mehr winseln?«
    Die Wirtin zupfte ihn am Arm. Walther hatte es besser gefallen, in die Wange gekniffen zu werden; dabei hatte sie sich über ihn gebeugt und ihm so einen tiefen Blick auf jenen Busen gewährt, der sich wahrlich nicht unter zwei Lagen Leinen zu verstecken brauchte.
    »Der Herzog will Geld«, flüsterte er, denn letztendlich lief alles, was gesagt wurde, darauf hinaus, und er glaubte nicht, dass die Wirtin über die Drohung mit
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