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Das Sonnentau-Kind

Das Sonnentau-Kind

Titel: Das Sonnentau-Kind
Autoren: Sandra Luepkes
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Mutter eine der bekanntesten Malerinnen gewesen war. Und sie war gern aus diesen kreativen Kreisen geflüchtet.
    «Kann ich Ihnen helfen?», fragte plötzlich eine tiefe Stimme direkt hinter ihr. Sie drehte sich um, aus einer Nische zwischen Stall und Wohnhaus war ein großer, glatzköpfiger Mann getreten. Er trug eine enge Jeans und eines von diesen Hemden, bei denen sich die Ärmel schon automatisch aufzukrempeln schienen. Die Oberarme waren es wert, gezeigt zu werden.
    «Sind Sie Sebastian Helliger?»
    Der Mann lachte kurz. «Nein, ganz bestimmt nicht. Und es ist auch noch nie jemand auf die Idee gekommen, mich mit dem Boss zu verwechseln.» Er schaute sie durchdringend an. «Sind Sie von der Kripo?»
    Wencke nickte.
    «Der Chef nimmt es mit der Privatsphäre ganz genau. Aber in Ihrem Fall …» Er zeigte kurz auf eine Tür, die zwischen den wild wuchernden Rosensträuchern kaum auszumachen war. «Ich glaube, Sie werden erwartet.» Der Zweimetermann trat nach einem gönnerhaften Winken wieder in die Scheune zurück.
    Auf dem handbemalten Klingelschild stand «Familie Helliger», der Knopfdruck löste ein melodisches Dingdong aus, kurz darauf hörte sie Schritte auf die Tür zukommen.
    «Guten Morgen, mein Name ist Wencke Tydmers, ich bin von der Kripo Aurich», sagte Wencke brav ihren Spruch auf und reichte dem schlanken, blonden Mann die Hand.
    Dicht neben seinen Beinen strich ein drahtiger Jagdhund um den Stoff der Hose, er kläffte nur kurz, bis sein Herrchen ihn fest am Halsband nahm und den strammen Rücken streichelte.
    «Schon gut!», murmelte er dem Tier zu. Dann wandte er sich an Wencke. «Sebastian Helliger. Kommen Sie doch herein.» Er ging einen Schritt zur Seite und lud sie mit einer Geste ein, in die große Halle zu treten. «Mandy, bringen Sie uns bitte einen Tee in die Bibliothek», rief er in eine unbestimmte Richtung, und die hohe Holzdecke sowie der schwarz-weiß geflieste Boden warfen das Echo seiner Aufforderung zurück. «Folgen Sie mir?», fragte er Wencke freundlich, dann steuerte er eine massive Tür im hinteren Teil des Raumes an.
    «Ich habe mich schon immer gefragt, wie es hier drinnen wohl aussieht», bekannte Wencke.
    «O ja, manchmal trauen sich auch Passanten aufs Grundstück und fragen, ob sie mal schauen dürfen.» Er lachte schüchtern, und Wencke konnte sich vorstellen, dass er eher ungern Menschen in sein Haus ließ. Sebastian Helliger schien ein stiller Mensch zu sein, er hatte ein freundliches Lächeln und sah so gar nicht nach einem Moorkönig aus in seiner dunkelblauen Strickjacke und abgetragenen Cordhose. An den Füßen trug er ausgelatschte Pantoffeln.
    «Draußen war ein Mann, der mir sagte, Sie würden sich über neugierige Blicke nicht sehr freuen.»
    «Hat Holländer das gesagt?»
    «Holländer?»
    «Er ist mein Mann für alle Fälle. Früher hieß es Hofknecht, heute würde ich ihn eher als Hausmeister bezeichnen. Ich habe zwei linke Hände, was alles Handwerkliche angeht. Und hier fällt nicht wenig Arbeit an, wo es von Nutzen sein kann, mit Hammer und Nagel umgehen zu können.»
    «Er hatte keinen niederländischen Akzent.»
    «Nein, Holländer ist sein Spitzname. Leitet sich aus seinem Familiennamen ab. Brauchen Sie seine Personalien?»
    «Später vielleicht.» Wencke schaute sich staunend um. «Man könnte meinen, Sie leben hier noch genau so, wie man es vor hundert Jahren tat.»
    Helliger lachte. «Keine Sorge, meine Familie und ich verfügen über fließend Wasser, elektrischen Strom und Telefon. Aber Sie haben recht, einiges ist seit Generationen nahezu unverändert. Der Hof ist zweihundert Jahre alt. Etliche Historiker lecken sich die Finger nach den Raritäten, die man in allen Ecken findet.» Sie traten in einen behaglichen Raum, dessen eine Wand bis zur Decke mit Büchern bestückt war. Gegenüber der dunkelgrünen Ledergarnitur, auf der sicherlich schon einige Generationen ihre Lesestunde verbracht haben mochten, war ein gemauerter Kamin, eingerahmt von unzähligen blau-weißen Kacheln. Helliger ging darauf zu. «Schauen Sie nur, beispielsweise diese Fliesen hier – ich kenne sie seit meiner Kindheit und habe ihnen bislang keine große Bedeutung zugemessen. Bis zur Beerdigung meines Vaters der Pastor zu Besuch kam, ein Experte für Bibelfliesen, und mich darauf aufmerksam machte, dass wir hier das komplette Neue Testament an der Wand hängen haben.»
    Wencke näherte sich dem bebilderten Kamin. «Sie leben in einem Museum.»
    «Für Außenstehende mag
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