Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das singende Kind

Das singende Kind

Titel: Das singende Kind
Autoren: Carmen Korn
Vom Netzwerk:
der Tür sah sie das Blut, das durch ihre Bluse sickerte.

Schliefen sie miteinander, dann kam Trudi so schnell, daß Georg oft nicht wußte, ob sie leicht anzuzünden war oder es nur hinter sich haben wollte. Wenn Georg dann ihre messingblonden Locken sah, die wie ein zu dick gemalter Heiligenschein um ihren Kopf auf dem Kissen strahlten, ihre großen weichen Brüste, die flaumige Haut des Bauches, entschied er sich dafür, daß Trudi einfach ein lustvolles Weib war und er ihr Verlangen nur ungenügend erfüllte.
    Heute war es anders. Trudi lag da wie ein Stück totes Fleisch. Er hatte ihr eine Freude machen wollen. Sie gestreichelt und ihr die angeschmuddelte Bluse ausgezogen und kein Wort über den Fleck verloren, auch nichts zu dem Pflaster gesagt, das auf ihrer rechten Brust klebte. Trudi drückte ständig an irgendwelchen winzigen Pickeln. Es quälte ihn, daß sie ihre herrliche Haut derart malträtierte und viel häßlichere Male damit verursachte.
    Georg schmuste länger an ihr herum, als er es sonst tat. Küßte ihre Armbeugen, ging mit dem Zeigefinger zärtlich die Höhlung der Taille entlang, nahm die hellen Härchen um ihren Nabel zwischen die Lippen. Er drang in sie ein, und Trudi hatte gar nicht hingesehen, als er sanft zur Landung ansetzte, und das erste Mal in ihrer Zeit kriegte Georg den Orgasmus vor Trudi, und er wartete auf ihren, und es war auch das allererste Mal, daß der nicht kam.
    Georg hatte das Beste gegeben. Mit ihr geschlafen, ohne Lust zu haben. Es enttäuschte ihn maßlos, vergeblich so ausführlich gewesen zu sein. Er ließ sich zur Seite fallen, und noch immer sagte Trudi keine Silbe, und Georg grübelte schon über den Grund nach, und es fiel ihm kein anderer ein, als daß Trudis Liebe für ihn schwand, und sekundenlang hatte Georg die Liebe als einen großen, bunten Ball vor Augen, der einem anderen zugespielt wurde.
    Das Haus muß sauber bleiben, hatte Georgs Mutter gesagt, als er zum erstenmal ein Mädchen mitbrachte. Er war mit ihr der Wohnung verwiesen worden, um außerhalb der häuslichen Umgebung von Grete Fortgang das zu tun, was Männer wohl tun wollten. Das Mädchen und er hatten es schließlich auf dem Speicher getan, auf Georgs altem Schrankbett, das da abgestellt stand. Dachte Georg daran, dann kam ihm immer noch der Ekel vor dem Moder der Matratze und den Staubfäden, die ihm auf der verschwitzten Haut klebten, als er entjungfert wurde. Er war vierundzwanzig Jahre alt gewesen.
    Zwei Monate dauerte es, und Georg hatte ein leeres Zimmer in der Nähe der Universität gefunden. Grete Fortgang ließ ihn gar nicht ungern ziehen. Endlich bekam sie die Kontrolle über Georgs zehn Quadratmeter, das Jugendzimmer, und es schien Georg, daß sie nun auf den Tod des Vaters lauerte, um dann jeden Zentimeter der Wohnung mit einer Lauge von Desinfektionsmittel abzuwaschen, wie sie es jetzt mit Georgs Zimmer tat. Grete Fortgang zog an diesem Freitagmorgen die Gummihandschuhe schon an, da trug Georg gerade das letzte Möbel hinaus. Den schwarzen Tisch aus Mooreiche, den sein Vater gekauft hatte und den seine Mutter nicht mochte. Den Eichentisch konnte keiner allein tragen, und so war auf der anderen Seite des Tisches Jos gewesen. Siebzehn Jahre alt.

»Ich fürchte, mein Leben vergißt stattzufinden«, sagte Trudi.
    Georg löste sich aus der Betrachtung der Babys von Bangladesch, die tot in den Bäumen hingen, festgebunden von denen, die sie vor dem Ertrinken in der Sturmflut hatten bewahren wollen. »Ich finde es zu luxuriös, über ein Einzelschicksal nachzudenken.«
    Trudi ließ den Knopf los, der mit Dutzenden anderen das Leder des Chesterfield-Sofas steppte und an dem sie so lange gedreht hatte, bis er locker geworden war. »Du läufst erst mal hundert Meter, ehe du mich anschaust«, sagte sie und stand auf, um zu Georg zu gehen, der an seinem Tisch saß.
    Georg schob das schreckliche Bild unter den Papierstapel, der bereitlag, die nächsten Kapitel vom Singenden Kind aufzunehmen. »Du erzählst ziemlich abstruses Zeug in letzter Zeit«, sagte er, »das paßt nicht zu dir.«
    »Erzähle ich überhaupt was?« fragte Trudi. Sie griff nach dem Papier und wollte es hochheben. »Was ist das für ein Foto?«
    Georg holte zu einer hastigen Bewegung aus, und Trudi glaubte, er würde ihr auf die Hand schlagen, doch dann hielt er ihre Hand nur fest. »Material für meine Arbeit«, sagte er, »du weißt, daß ich es nicht mag, wenn du drangehst.«
    Trudi wandte sich zum Fenster und kehrte ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher