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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M.
Autoren: Catherine Millet
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überhaupt sehr viel von dem wahrnahm, was um mich herum vorging, von den Frauen auf den Barhockern, denen man wirklich den Arsch knetete.
    Wie gesagt, mein Platz war auf einem Tisch in einem der hinteren Zimmer. Die Wände waren kahl, es gab keine Stühle, keine Bänke, nur diese rustikalen Tische und Hängelampen. Zwei, drei Stunden blieb ich dort. Es spielt sich immer das Gleiche ab: Hände streichen über meinen Körper, ich schnappe Schwänze, drehe den Kopf nach rechts und nach links und lutsche, während andere Schwänze in meinen Schoß stoßen. Ungefähr zwanzig konnten sich an einem Abend abwechseln. Die Frau auf dem Rücken, Geschlechtsorgane auf gleicher Höhe, der Mann steht fest auf den Beinen – das ist die bequemste und beste Stellung, die ich kenne. Die Vulva ist ganz offen, der Mann kann bequem waagerecht eindringen und ungehindert bis zum Muttermund stoßen. Kräftiges, genaues Vögeln. Manchmal bekam ich so heftige Stöße, dass ich mich mit beiden Händen an der Tischkante fest halten musste, und lange Zeit hatte ich eine kleine Schürfwunde oberhalb des Steißbeins, wo meine Wirbelsäule auf dem harten Holz scheuerte.
    Aimé musste dichtmachen. Wir waren dort ein letztes Mal, das Lokal war wie ausgestorben. Aimé stand mit seinem kräftigen Oberkörper hinter dem Tresen und stauchte leise seine Frau zusammen. Es ging um eine Vorladung bei der Kripo. Er hat ihr vorgeworfen, sie wolle uns vertreiben, nachdem wir meinten, wir würden lieber später wieder reinschauen.
    An jenem Abend landeten wir im Glycines. Für mich war es der erste Besuch in diesem Haus, das Claudes, Henris und meine Fantasie immer angeregt hatte. Wir drei waren sehr eng befreundet. Henri hatte eine winzige Wohnung in der Rue de Chazel mit Blick auf eine hell verputzte Mauer, die ein herrschaftliches Anwesen verbarg. Da es auf dem Weg lag, gingen wir immer zu Henri, wenn wir von den sonntäglichen Besuchen bei unseren Eltern zurückkamen. Wir vögelten zu dritt, die beiden nahmen mich gleichzeitig, einen hatte ich im Mund, den anderen im Arsch oder in der Möse, und alles stand im fröhlichen Zeichen des Spaghetti, eines der schönsten Bilder von Martin Barre – ein Geschenk des Malers für Henri. Danach lauerten wir am Fenster und beobachteten, wer im Glycines ein- und ausging. Henri hatte gehört, dass der Laden von Filmschauspielern besucht wurde, und manchmal meinten wir, einen zu erkennen. Wir waren Jugendliche, Gaffer, fasziniert und amüsiert von diesem heimlichen Getue, wir wollten uns gar nicht erst vorstellen, was sich hinter den Mauern abspielte, uns erregten die Dinge, die uns nicht zugänglich waren, die schicken Wagen, die am Portal vorfuhren, das elegante Flair der Silhouetten, die ausstiegen. Als ich einige Jahre später selbst durchs Portal trat, wusste ich sofort, dass mir die Kargheit des Chez Aimé lieber war.
    Wir gingen einen Kiesweg hinauf, der von einer Gruppe Japaner blockiert war, eine junge Frau, die aussah wie eine Stewardess, führte uns. Sie bat mich um meine Sozialversicherungskarte – weder hatte ich sie dabei, noch hatte ich überhaupt eine, ich ging ja keiner geregelten Arbeit nach. Ich hätte zwar einen Gehaltszettel vorweisen können, machte die Sache aber noch schlimmer, weil ich mich immer, auch heute noch, vor einer größeren Frau, egal, wie alt sie ist, wie ein tollpatschiges Kind benehme – bei einem Mann passiert mir das nie. Wir wurden trotzdem eingelassen. Der Raum war hell erleuchtet wie ein Speisesaal, nackte Menschen lagen auf Matratzen. Die Leute machten Witze, was mich noch mehr aus der Fassung brachte als die Drohung der »Arbeitsinspektorin«. Eine Frau mit weißer Haut, ungeschminkt, die zerzausten Haare ließen noch vage den Bananenknoten erahnen, wie ihn auch die Hostess trug, versetzte die Versammelten in große Heiterkeit, weil ihr kleiner Sohn »so gerne mitgekommen wäre heute Abend«. Ich sehe wieder Eric vor mir, praktisch veranlagt wie immer sucht er an der Wandleiste den Schalter, denn wir hatten ein anderes Paar gefunden, und es war angenehmer, das Licht zu dämpfen. Aber zwischen den Körpern manövrieren Mamsellen mit Tabletts voller Champagnergläsern, eine stolpert über ein Kabel und macht das Licht wieder an, begleitet wird das Ganze von einem lauten, deutlichen »Scheiße«. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir danach noch lange genug geblieben wären.
    Mit Ausnahme des Bois – und auch da eigentlich nicht, wie gesagt –, vögelt man nicht, ohne sich
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