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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M.
Autoren: Catherine Millet
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Ganze, weil wir ein paar Autos abhängen müssen. Die Fahrer einigen sich auf ein Ziel, eine Schlange bildet sich, andere sehen es und stoßen dazu, doch dann ist die Schlange zu lang, und es ist besser, die Teilnehmerzahl zu beschränken. Eines Nachts sind wir so lange herumgefahren, dass es wie der Aufbruch in die Ferien war. Ein Fahrer wollte an einen bestimmten Ort, dann aber stellte sich heraus, dass er ihn nicht mehr ohne weiteres fand. Ich sah im Heckfenster die Scheinwerferpaare nach rechts und links schwenken, verschwinden und wieder auftauchen. Wir hielten mehrmals an, besprachen uns. Schließlich bekam ich in den Rängen eines Sportplatzes bei Velizy-Villacoublay die geduldigen Schwänze derer ab, die nicht ausgeschert waren.
    Rastlosigkeit ist ein anderes Motto. Die Wagen fahren, halten, fahren wieder los, biegen plötzlich ab wie ferngesteuerte Spielzeugautos. Kreisverkehr an der Porte-Dauphine: Man betrachtet sich vom Auto aus, die Parole könnte lauten: »Kennt ihr eine geeignete Stelle?« Einige Wagen scheren aus dem Kreisverkehr aus und fahren im Konvoi an einen unbekannten Ort. Es kam vor, allerdings nur einmal, dass die Suche zu lange dauerte und wir am Ende Unfug trieben. Ich bin mit Freunden unterwegs, die sich mit den Gepflogenheiten im Bois wenig auskennen. Wir sitzen zu sechst eingezwängt in einem Renault, fahren vergeblich herum und wollen schließlich nach Hause. An einer Hauptstraße sehen wir ein paar Wagen stehen, wir parken, und ich, der tapfere kleine, großspurige Soldat, blase dem Fahrer im Wagen hinter uns einen, im Namen aller, die im Auto auf mich warten. Gerade als ich fertig bin, müssen natürlich zwei Polizisten auftauchen! Sie fragen den Mann am Steuer, der sich verlegen die Hosen zuknöpft, ob er mich bezahlt habe. Alle Beteiligten müssen sich ausweisen.
    Auch wenn sich meine Erinnerung in erster Linie an körperlichen Dingen festmacht, sind mir bestimmte Umgebungen gleichfalls im Gedächtnis geblieben, mehr noch als bestimmte Gefühle. Ich könnte viele Anekdoten über meinen Hintern erzählen, den ich jahrelang regelmäßig einsetzte, wenn nicht gar häufiger als meine Scheide. Bei einer kleinen Party in einer schönen Wohnung hinter dem Hotel des Invalides, in einem Zimmer im Zwischengeschoss mit einem großen Fenster, das man von gegenüber nicht einsehen kann, und vielen Lampen dicht über dem Bett, wo ich mir vorkomme wie in einem amerikanischen Spielfilm, nahm ich durch diese Öffnung das Rohr eines Riesen. Mitten im Raum steht als Tisch eine riesige offene Hand aus bemaltem Kunstharz, wo sich eine Frau bequem ausstrecken kann; dadurch hat der Raum als solcher für mich einen unwirklichen, riesenhaften Charakter. Ich bekomme Angst vor Cheshires mächtigem Teil, als ich merke, wo er in mich eindringen will, aber er schafft es, ohne sehr drücken zu müssen, und erstaunt, fast stolz stelle ich fest, dass die Größe kein Hindernis ist. Auch die Anzahl nicht. Vielleicht kam ich deshalb auf die Idee – Eisprung? Tripper? –, bei einer größeren Party nur mit dem Arsch zu vögeln. Ich sehe mich am Fuß einer schmalen Treppe in der Rue Ouincampoix, ich zögere vor dem Hinaufgehen. Die Adresse haben Claude und ich zufällig bekommen, wir kennen keinen Menschen. Die Wohnung ist niedrig, düster. Ich höre die Männer neben mir tuscheln: »Sie will in den Arsch gefickt werden.« Oder sie sagen zu einem Mann, der es noch nicht kapiert hat: »Nein, sie lässt sich nur von hinten nehmen.« Damals hatte ich Schmerzen danach, aber ich hatte auch die persönliche Befriedigung, dass es ganz einfach ging.
Träumereien
    Wenn ich die vorigen Seiten wieder lese, kommen noch ältere Bilder hoch, Bilder, die davor schon in meinem Kopf existiert hatten. Wie ich zu diesen Bildern kam, lange bevor ich zum ersten Mal mit einem Mann geschlafen hatte und lange bevor ich begriffen hatte, worum es dabei eigentlich ging, bleibt ein faszinierendes Geheimnis. Fotos in der Cinémonde, Andeutungen meiner Mutter – zum Beispiel: Wir verlassen ein Café, dort sitzen ein paar junge Leute zusammen, darunter nur ein Mädchen; meine Mutter zischt: »Die schläft bestimmt mit jedem.« Oder mein Vater kommt spät nach Hause, genauer gesagt, nachdem er im Café war … Ich schnappte diese Fetzen auf und verband sie miteinander, verwob sie mit allerlei Triebhaftem, sodass die Geschichten, die ich mir ausdachte und dabei die Schamlippen aneinander rieb, meine späteren Abenteuer schon bestens vorwegnahmen.
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