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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M.
Autoren: Catherine Millet
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wurden gewechselt, der Unfall hatte plötzlich wieder eine, bis dahin stumme Verbindung zwischen den Menschen hergestellt, und ich war wieder in meiner kurzlebigen kleinen Gemeinde, die verschworen ihrer besonderen Tätigkeit nachging.
    Im Bois genoss ich es, wenn seltene Wortwechsel die üblichen Bewegungen und Stellungen begleiteten und so ein ungewöhnliches Treffen zugleich entschärften und hervorhoben. Eines Abends, die Porte-Dauphine war fast menschenleer, sahen wir im Licht der Scheinwerfer zwei sehr große Schwarze am Gehwegrand. Sie sahen aus, als hätten sie sich verirrt oder warteten in einem verlassenen Vorort vergebens auf einen Bus. Sie nahmen uns mit in eine Dienstbotenkammer in der Nähe, der Raum war eng, das Bett schmal. Erst nahm mich der eine, dann der andere. Während der eine auf mir lag, saß der andere am Bettrand und tat nichts, er schaute einfach zu. Sie hatten nicht sehr dicke, aber so lange Schwänze, wie ich sie noch nie gesehen hatte, sie bewegten sich langsam und drangen tief ein, ohne dass ich die Beine weit spreizen musste. Sie waren wie Zwillinge. Die beiden Akte folgten ohne hektische Berührungen aufeinander. Sie wussten, wo sie mich anfassen wollten, und im Gegenzug genoss ich die große Fläche Haut, die sie mir darboten. Ich ließ mir damals sicherlich Zeit, das beharrliche Bohren vollständig auszukosten. Während ich mich wieder anzog, unterhielten sie sich mit Eric über die Gewohnheiten im Bois und über ihre Arbeit als Köche. Zum Schluss dankten sie mir mit der Höflichkeit aufrichtiger Gäste, und ich behielt sie in liebevoller Erinnerung.
    Im Chez Aimé, einem viel besuchten Club, ging es weniger kultiviert zu. Die Leute kamen von weit her, sogar aus dem Ausland. Noch Jahre nach der Schließung staunte ich wie ein kleines Mädchen, wenn Eric mir die Namen bekannter Persönlichkeiten aufzählte – Schauspieler, Sänger, Sportler, Geschäftsleute, die ich dort treffen konnte; ich habe die Augen jedoch nie weit genug aufgemacht, um sie zu erkennen. Zu der Zeit, als wir oft dort waren, kam ein Film heraus, eine Parodie auf die sexuelle Befreiung. Eine Szene spielte in einem Club, es sah aus wie im Chez Aimé. Männer drängten sich um einen Tisch, dort lag eine Frau, man sah nur ihre Beine mit den Schaftstiefeln, die über den Köpfen strampelten. Reiterstiefel waren damals in Mode, auch ich trug sie, und weil sie so schwierig auszuziehen waren, behielt ich sie immer an, auch wenn ich sonst nichts auf dem Leib hatte. Wenn ich auf einem Tisch lag, habe ich sie bestimmt mehr als einmal in die Luft gestreckt, und ich war eitel genug zu glauben, dass mein spärlicher Aufzug und meine Zeichen in der Luft möglicherweise die Vorstellung des Regisseurs beflügelt hätten.
    Die Lust, sich an langen Abenden im Chez Aimé hinzugeben, wenn ich mit dem Hintern an der Kante auf einem großen Holztisch lag und das Licht einer Hängelampe auf meinen Oberkörper fiel wie auf einen Spieltisch, war dem Grauen, das ich vor der Fahrt dorthin hatte, diametral entgegengesetzt. Das Chez Aimé lag weit außerhalb von Paris, der Weg führte durch den düsteren Wald von Fausses-Reposes nach Ville-d’Avray zu einem Haus in einem Gärtchen, wie ich es aus meiner Kindheit im Vorort kannte. Eric sagte mir nie, was auf dem Programm stand; ich glaube, er fand Befriedigung in der Ausarbeitung des Programms und in den Überraschungen, die er plante. Es war seine Art, »romantische« Bedingungen zu schaffen. Außerdem spielte ich das Spiel mit und stellte keine Fragen. Doch kaum merkte ich, dass wir auf dem Weg dorthin waren, bekam ich Panik beim Gedanken an die Fremden, die mich bald zwingen würden, aus meinem Dämmerschlaf aufzutauchen, und beim Gedanken an die Kraft, die es mich kosten würde. Ich fühlte mich wie vor einem Vortrag; ich weiß, ich muss mich vollständig auf mein Thema konzentrieren und mich gleichzeitig dem Publikum ausliefern. Doch weder die Männer, mit denen ich zusammentraf, noch das Publikum, das in der Dunkelheit sitzt, haben ein Gesicht, und wie durch ein Wunder spürt man zwischen der anfänglichen Angst und der nachfolgenden Müdigkeit die Erschöpfung nicht.
    Im Chez Aimé betrat man erst die Bar. Ich kann mich nicht erinnern, dass man mich dort genommen hätte, allerdings gehört es zum Kanon meiner ältesten Fantasien, dass ich das Englischleder eines Hockers an der Möse spüre, meine zusammengedrückten Arschbacken werden verstohlen betatscht. Ich bin nicht sicher, ob ich
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