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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung
Autoren: Andrzej Sapkowski
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wie ich Kaufmann werden. Und der andere ...«
    Geralt schwieg.
    »Was meint Ihr?« Yurga drehte den Kopf herum, schaute ihn an. »Ihr habt auf der Brücke ein Gelöbnis verlangt. Es ging Euch um ein Kind und dass es bei Euch als Hexer in die Lehre geht, das und nichts anderes war es doch. Warum muss dieses Kind unerwartet sein? Wieso geht nicht auch ein erwartetes? Zwei hab ich, einer soll Hexer werden. Ein Beruf wie jeder andere. Weder besser noch schlechter.«
    »Bist du sicher«, warf Geralt leise ein, »dass er nicht schlechter ist?«
    Yurga blinzelte.
    »Menschen verteidigen, ihnen das Leben retten, wofür haltet Ihr das, für schlecht oder gut? Diese vierzehn auf der Anhöhe? Ihr dort auf der Brücke? Was habt Ihr getan, Gutes oder Böses?«
    »Ich weiß nicht«, brachte Geralt mit Mühe hervor. »Ich weiß es nicht, Yurga. Manchmal glaube ich es zu wissen. Und mitunter habe ich Zweifel. Würdest du wollen, dass dein Sohn solche Zweifel hat?«
    »Mag er sie haben«, sagte der Kaufmann ernst. »Mag er sie haben. Denn gerade das ist menschlich und gut.«
    »Was?«
    »Zweifel. Nur das Böse, Herr Geralt, zweifelt nie. Aber seiner Vorherbestimmung entgeht niemand.«
    Der Hexer antwortete nicht.
    Die Landstraße bog um eine hohe Böschung, unter krummen Birken hinweg, die sich wer weiß wie an dem senkrechten Hang hielten. Die Birken hatten gelbe Blätter. Der Herbst, dachte Geralt, es wird wieder Herbst. Im Tal glänzte der Fluss, blinkten weiß die Palisaden einer Wachstation, die Dächer von Hütten, die behauenen Pfähle einer Anlegestelle. Ein Strudel schäumte. Eine Fähre schlug ans Ufer, trieb eine Welle vor sich her, teilte das Wasser mit dem stumpfen Bug, zerstreute die an der Oberfläche schwimmenden Halme und Blätter, die reglos in einer dicken Staubdecke verharrten. Die von den Fährleuten gezogenen Taue knarrten. Die am Ufer zusammengedrängte Menge lärmte, in diesem Lärm war alles: Schreie von Frauen, Flüche von Männern, das Weinen von Kindern, das Brüllen von Rindern, das Wiehern von Pferden, das Blöken von Schafen. Eine gleichmäßige Bassnote der Angst.
    »Fort! Fort, zurück, Hundsfötter!«, schrie ein Reiter mit einem blutgetränkten Lappen um den Kopf. Das Pferd, bis zum Bauch im Fluss, bäumte sich auf, riss die Vorderhufe hoch, dass das Wasser spritzte. Auf dem Anlegesteg Geschrei, Rufe – Infanteristen stießen die Menge brutal auseinander, hieben aufs Geratewohl mit ihren Spießen zu.
    »Fort von der Fähre!«, brüllte der Berittene und fuchtelte mit dem Schwert. »Nur Militär! Fort, sonst schlag ich euch die Köpfe ein!«
    Geralt zog die Zügel an, hielt die Stute zurück, die dicht am Rande des Hohlwegs tänzelte.
    Durch den Hohlweg kamen, mit Waffen und Rüstungen klirrend, Panzerreiter galoppiert, die von ihnen aufgewirbelten Staubwolken verdeckten die nachfolgenden Fußtruppen.
    »Geraaalt!«
    Er schaute hinab. Auf einem verlassenen, von der Straße gestoßenen Wagen voller Holzkäfige hüpfte und gestikulierte ein schmächtiger Mann in pflaumenblauem Wams, auf dem Kopf ein Hütchen mit einer Reiherfeder. In den Käfigen gackerten und schnatterten Hühner und Gänse.
    »Geraaalt! Ich bin’s!«
    »Rittersporn! Komm hier rauf!«
    »Fort, fort von der Fähre!«, brüllte an der Anlegestelle der Berittene mit dem verbundenen Kopf. »Die Fähre nur für’s Militär! Wenn ihr ans andere Ufer wollt, Hundsfötter, dann mit den Äxten ab in den Wald, Flöße hauen! Die Fähre nur fürs Militär!«
    »Bei den Göttern, Geralt«, japste der Dichter, während er den Hang des Hohlweges hinaufkletterte. Sein pflaumenblaues Wams war wie mit Schnee mit Vogelfedern übersät. »Siehst du, was hier los ist? Die von Sodden haben offensichtlich die Schlacht verloren, der Rückzug hat begonnen. Was sag ich, was für ein Rückzug? Das ist eine Flucht, einfach eine panische Flucht! Wir müssen auch von hier verschwinden, Geralt. Ans andere Ufer der Jaruga ...«
    »Was machst du hier, Rittersporn? Wie kommst du hierher?«
    »Was ich mache?«, schrie der Barde. »Da fragst du noch? Ich fliehe wie alle, den ganzen Tag hocke ich schon auf diesem Wagen! Die Pferde hat mir nachts irgendein Hundesohn gestohlen! Geralt, ich flehe dich an, hol mich aus dieser Hölle raus! Ich sag dir, die Nilfgaarder können jeden Augenblick hier sein! Wer nicht die Jaruga zwischen sich und die bringt, dem schneiden sie die Kehle durch. Die Kehle durch, verstehst du?«
    »Keine Panik, Rittersporn.«
    Unten an der
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