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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung
Autoren: Andrzej Sapkowski
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Nein, ich habe keine Angst, ihn jetzt auszusprechen.«
    »So sprich ihn aus.«
    »Yennefer ... Yennefer von Vengerberg.«
    »Doch die Blumen sind für mich.«
    »Machen wir Schluss damit«, sagte er mit Mühe. »Nimm ... Nimm mich bei der Hand.«
    Sie stand auf, kam näher, er fühlte die Kühle, die sie verströmte, eine scharfe, durchdringende Kälte.
    »Nicht heute«, sagte sie. »Eines Tages, ja. Aber nicht heute.«
    »Du hast mir alles weggenommen ...«
    »Nein«, fiel sie ihm ins Wort. »Ich nehme nichts weg. Ich nehme nur bei der Hand. Damit niemand dann allein ist. Allein im Nebel ... Auf Wiedersehen, Geralt von Riva. Eines Tages.«
    Er antwortete nicht. Sie wandte sich langsam um und ging. In den Nebel, der plötzlich den Gipfel der Anhöhe verhüllte, in den Nebel, in dem alles versank, in den weißen, feuchten Nebel, in dem der Obelisk verschwamm, die an seinem Fuße liegenden Blumen und die in ihm eingehauenen vierzehn Namen. Es gab nichts, nur den Nebel und das nasse, von Tropfen funkelnde Gras unter den Füßen, das Gras roch schwer, süß, dass es ihm die Sinne benahm und in den Schläfen schmerzte, erzeugte Vergessen, Müdigkeit ...
    »Herr Geralt! Was ist mit Euch? Seid Ihr eingeschlafen? Ich habe Euch gesagt, Ihr seid noch schwach. Wozu musstet Ihr auf den Gipfel steigen?«
    »Ich bin eingeschlafen.« Er rieb sich das Gesicht mit der Hand, blinzelte. »Eingeschlafen, verdammt ... Es ist nichts, Yurga, diese Hitze ...«
    »Ja, eine verteufelte Hitze ... Wir müssen weiter, Herr. Kommt, ich helfe Euch den Hang hinab.«
    »Mit mir ist alles in Ordnung ...«
    »Ja, ja. Dann frag ich mich, warum Ihr wankt. Was zum Kuckuck seid Ihr in dieser Hitze auf den Gipfel gestiegen? Wolltet Ihr die Namen lesen? Ich hätte sie Euch alle sagen können. Was ist Euch?«
    »Nichts ... Kennst du wirklich alle vierzehn Namen?«
    »Gewiss.«
    »Ich will prüfen, wie es um dein Gedächtnis steht ... Der letzte. Der vierzehnte. Was ist das für ein Name?«
    »Was seid Ihr nur ungläubig. Nichts glaubt Ihr. Wollt Ihr prüfen, ob ich nicht lüge? Ich habe Euch doch gesagt, diese Namen kennt bei uns jedes Kind. Der letzte, sagt Ihr. Also der letzte ist Yoël Grethen von Carreras. Habt Ihr ihn vielleicht gekannt?«
    Geralt strich sich mit dem Handrücken über das Lid. Und schaute auf den Menhir. Auf alle vierzehn Namen.
    »Nein«, sagte er. »Ich habe ihn nicht gekannt.«

VIII
    »Herr Geralt?«
    »Ja, Yurga?«
    Der Kaufmann senkte den Kopf, schwieg eine Weile, während er sich den Rest des dünnen Riemens, mit dem er den Sattel des Hexers reparierte, um den Finger wickelte. Schließlich stand er auf, klopfte dem vor ihm sitzenden Burschen leicht mit der Faust auf den Rücken.
    »Setz dich auf das Handpferd, Pokwit. Ich werde selber kutschieren. Kommt zu mir auf den Bock, Herr Geralt. Und was treibst du dich beim Wagen rum, Pokwit? Los, reit voraus! Wir wollen uns hier unterhalten, da können wir deine Ohren nicht gebrauchen!«
    Plötze, die neben dem Wagen lief, wieherte, zerrte an der Leine, offensichtlich neidisch auf Pokwits Stute, die auf der Landstraße davongaloppierte.
    Yurga schnalzte, klatschte leicht mit den Zügeln.
    »Nun ja«, sagte er gedehnt. »Die Sache ist die, Herr. Ich habe Euch versprochen ... da auf der Brücke ... Ich habe Euch ein Gelöbnis gegeben ...«
    »Lass sein«, unterbrach ihn der Hexer rasch. »Lass sein, Yurga.«
    »Doch«, sagte der Kaufmann scharf. »Mein Wort ist nicht Schall und Rauch. Das, was ich zu Hause vorfinde und nicht erwarte, gehört Euch.«
    »Gib Ruhe. Ich will nichts von dir. Wir sind quitt.«
    »Nein, Herr. Wenn ich zu Hause so etwas vorfinde, dann muss das vorherbestimmt sein. Und wenn man mit der Vorsehung spaßt, wenn man sie belügt, dann straft sie einen hart.«
    Ich weiß, dachte der Hexer. Ich weiß.
    »Aber ... Herr Geralt ...«
    »Was, Yurga?«
    »Ich werde zu Hause nichts vorfinden, was ich nicht erwarte. Nichts, und erst recht nicht das, womit Ihr rechnet. Herr Hexer, hört: Zelinda, meine Frau, kann nach dem letzten keine Kinder mehr bekommen, und so oder so, aber ein neues Kind wird nicht im Hause sein. Ihr habt es, scheint’s, schlecht getroffen.«
    Geralt antwortete nicht.
    Auch Yurga schwieg. Wieder wieherte Plötze, stieß mit dem Kopf nach vorn.
    »Aber ich habe zwei Söhne«, sagte Yurga plötzlich schnell, den Blick voraus auf die Straße gerichtet. »Zwei, gesund, stark und nicht dumm. Irgendwann muss ich sie ja in die Lehre geben. Einer, dachte ich, soll
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