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Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein kommt zum Essen: Roman (German Edition)
Autoren: Joseph Caldwell
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Händchen zu halten. Immerhin, auf halbem Weg in den Himmel wirst du sein. Ob du auch den Rest bis dahin schaffst, kann sich jeder selbst ausmalen. Wie ich das sehe, behalte ich lieber für mich.«
    »Das kannst du von mir aus gern tun.«
    »Oh, Kitty, Kitty, Kitty McCloud. Warum sträubst du dich, das zu sein, was du bist?«
    »Und was etwa bin ich?«
    »Eine Prophetin. Komm, gib es nur zu.«
    »Nein, im Ernst, Maude. So was Extravagantes?«
    »Ich bin ja selber eine Prophetin. Wie jedermann weiß.«
    »Ich kann nur hoffen, du bist es nicht. Du mit deiner Weissagung, dass ich himmelwärts fliegen und auf halbem Weg ins Himmelreich sein werde, während Lord Shaftoe ganz unbekümmert in seinem Grab liegt.«
    »Warum redest du solchen Unsinn? Wir sind Prophetinnen, keine Wahrsagerinnen.«
    »Hast du mir nicht eben zu verstehen gegeben, dass du schon deutlich siehst, wie die Burg mit dem Sprengstoff hochgeht und ich gleich mit?«
    »Ein Prophet weissagt einem nicht die Zukunft. Ein Prophet verkündet die Wahrheit. Eine Wahrheit, die niemand hören will. Oder glauben will. Und deshalb bist du eine Prophetin. Du bist jemand, der die Wahrheit sagt. Ich habe deine Bücher gelesen. In jedem einzelnen von ihnen steckt eine Wahrheit.«
    »Maude, du steigerst dich in was rein. Ich bin nichts als eine Geldschefflerin. Um meine Habgier zu befriedigen, lüge ich schlimmer als die Schlange im Paradies.«
    »Was du jetzt sagst, ist eine ganz fette Lüge. Mir gegenüber musst du es ja nicht zugeben. Aber dir selbst hast du es immer wieder eingestanden. Du weißt sehr wohl, dass du eine Prophetin bist. Du weißt es, du sagst die Wahrheit, und ich weiß das genauso gut wie du.«
    »Ich mach es des Geldes wegen. Das ist doch ganz klar.«
    »Als du
Jane Eyre
neu erzählt hast, hast du da nicht die Wahrheit niedergeschrieben? Jeder, der auch nur die geringste Spur von Gerechtigkeitsgefühl hat, würde das so machen, wie du es gemacht hast – vorausgesetzt, er könnte sich moralisch so empören und hätte das Talent, das du hast. Miss Charlotte Brontë bemüht sich, uns weiszumachen, es sei für die arme Jane die große Erfüllung, ihren Rochester zu bekommen nach allem, was vorgefallen ist,wenngleich auch er ein wenig gelitten hat. Und wie hat Miss Brontë das bewerkstelligt? Indem sie Jane über die zerschmetterten Gliedmaßen einer toten Geistesgestörten steigen lässt. Sieht so der Weg zur Glückseligkeit aus? Hat Jane keine Gewissensbisse? Du hast es richtig gemacht. Rochester stürzt sich kopfüber aus dem Dachbodenfenster, weil Jane sich seinen ehebrecherischen Gelüsten nicht fügt. Und
seine
Glieder liegen zerschmettert, und über
seine
Leiche steigt Courtney …« Hier war sie verunsichert. »Ist es Courtney oder Tiffany, wie hast du die Jane-Gestalt genannt?«
    »Brianna.«
    »Ja, richtig. Brianna. Und über seine Leiche – heißt er Kyle oder Kevin?«
    »Kevin.«
    »Also über Kevins Leiche steigt Tiffany …«
    »Brianna.«
    »… Brianna also, und sie und die arme Irre, die Brianna hingebungsvoll gepflegt und geheilt hat, richten sich in einem einfachen, erfüllten Leben ein, mit Töpfern und Weben und einem bisschen Viehzucht. Das nenn ich das Werk eines Autors, der die Wahrheit ausspricht. Eine Geschichte, die eine Prophetin erzählt. Die du erzählst. Kitty McCloud.«
    Kitty versuchte den Redefluss zu stoppen, der ihr peinlicher war als die vorangegangene Schwarzmalerei. Die Seherin erging sich in Offenbarungen, die Kitty immer geglaubt hatte, für sich behalten zu können.
    Geld war nicht ihr wirkliches Handlungsmotiv. Das bestand in ihrem Beharren auf Wahrheit, auf Gerechtigkeit. Dazu kam der ihr angeborene Zorn, ein bodenloser Hexenkessel, aus dessen aufgewühlten Tiefen sich die aufrichtigsten Romane speisten, die in ihrer Generation hervorgebracht wurden.
    Doch all das durfte niemals ruchbar werden. Sollte ihre weltweite Leserschaft – ein weiteres Nebenprodukt der so genannten Globalisierung – in ihr eines Tages nicht die schamlose, die Werke anderer ausschlachtende Vielschreiberin voller skrupellosem Ehrgeiz und unstillbarer Gier sehen, sondern eine Prophetin, die von nichts Geringerem als den höchsten moralischen Grundsätzen inspiriert sei, dann würden ihre Anhänger sie verlassen. Auf Buchständern in Supermärkten, bei Zeitungshändlern auf Flughäfen, an der Kasse im Drugstore würde man ihre Hervorbringungen nicht mehr finden. Auf Bestseller-Listen, sowohl im Hardcover wie im Paperback, würde sie, wie
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