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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest
Autoren: Frederick Forsyth
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morgens, als der Alte mit Mop und Eimer in der Hand und den Staubsauger hinter sich herziehend das Büro von Komarows Privatsekretär N. I. Akopow erreichte. Der Hase war diesem Mann nur einmal begegnet, als vor ungefähr einem Jahr einige der leitenden Mitarbeiter noch sehr spät gearbeitet hatten. Der Mann war äußerst unfreundlich zu ihm gewesen und hatte ihn mit einem Schwall von Schimpfworten aus seinem Büro gejagt. Seit damals hatte er sich manchmal ein bißchen dafür gerächt, indem er sich in Akopows bequemem Ledersessel niedergelassen hatte.
    Da er wußte, daß die Wachmänner unten waren, ließ der Hase sich in den Drehsessel sinken und genoß die luxuriöse Behaglichkeit der Lederpolster. Er hatte nie einen Sessel dieser Art besessen, würde nie einen besitzen. Auf der Schreibunterlage lag ein Schriftstück: ungefähr vierzig Schreibmaschinenseiten mit Spiralbindung zwischen Vorsatzblättern aus schwarzem Zeichenpapier.
    Der Hase fragte sich, warum es dort liegengeblieben war. Normalerweise sperrte Akopow alles in seinen Wandsafe. Das tat er anscheinend gewohnheitsmäßig, denn der Hase hatte hier noch nie ein Schriftstück gesehen, und die Schreibtischschubfächer waren immer abgesperrt. Er klappte den schwarzen Umschlag auf und las den Titel. Dann schlug er aufs Geratewohl irgendeine Seite auf.
    Er konnte nicht fließend lesen, aber er kam einigermaßen zurecht. Bei seiner Pflegemutter hatte er vor vielen Jahren lesen gelernt, dann bei den Lehrern in der staatlichen Volksschule und schließlich bei einem freundlichen Offizier in der Armee.
    Was er sah, beunruhigte ihn. Einen Absatz las er mehrmals durch; manche Worte waren zu lang und zu kompliziert, aber er verstand ihre Bedeutung. Seine arthritischen Hände zitterten, als er weiterblätterte. Warum sollte Komarow solche Dinge sagen? Noch dazu über Leute wie seine Pflegemutter, die er geliebt hatte? Er verstand nicht alles, aber es machte ihm Sorgen. Sollte er vielleicht die Wachmänner unten danach fragen? Aber sie würden ihm nur eine Kopfnuß geben und ihn anbrüllen, er solle sich zu seiner Arbeit zurückscheren.
    Eine Stunde verstrich. Die Wachmänner hätten patrouillieren müssen, aber sie hockten wie gebannt vor ihrem Fernseher, in dem eine Sondersendung die Bevölkerung darüber informierte, daß der Ministerpräsident nach Artikel 59 der russischen Verfassung für eine Übergangszeit von drei Monaten die Amtspflichten des Präsidenten übernommen hatte.
    Der Hase las einige Absätze wieder und wieder durch, bis er ihre Bedeutung verstanden hatte. Aber die wahre Bedeutung hinter dieser Bedeutung blieb ihm unverständlich. Igor Komarow war ein großer Mann. Er würde der nächste russische Präsident werden, nicht wahr? Warum sollte er also solche Dinge über die Pflegemutter des Hasen sagen – und andere Leute wie sie –, wo sie doch schon lange tot war?
    Um zwei Uhr morgens stopfte der Hase sich das Schriftstück vorn ins Hemd, beendete seine Arbeit und bat dann, hinausgelassen zu werden. Die Wachmänner verließen widerwillig ihren Fernseher, um ihm die Türen zu öffnen, und der Hase trollte sich in die Nacht davon. Er ging etwas früher als sonst, aber das war den Wachmännern egal.
    Saizew überlegte, ob er heimgehen sollte, und tat es dann lieber doch nicht. Er war zu früh dran. Wie üblich verkehrten keine Busse, Straßenbahnen oder U-Bahnen mehr. Er mußte immer zu Fuß heimgehen, manchmal im Regen, aber er brauchte die Arbeit. Sein Heimweg dauerte eine Stunde. Ging er gleich heim, würde er seine Tochter und die Kleine wecken. Das würde ihr nicht gefallen. Also wanderte er weiter ziellos durch die Straßen und überlegte, was er tun sollte.
    Gegen halb vier fand er sich auf dem Kremlewskaja-Kai unterhalb der südlichen Kremlmauer wieder. Überall auf dem Kai schliefen Stadtstreicher und Obdachlose, aber er fand eine Bank, auf der etwas Platz war, setzte sich und starrte über den Fluß hinaus.
    Während sie auf die Insel zuliefen, war die See wie an jedem Nachmittag ruhiger geworden, als wolle sie den Fischern und Seeleuten sagen, der heutige Wettstreit sei beendet und der Ozean rufe bis morgen einen Waffenstillstand aus. An Steuerbord wie an Backbord konnte der Skipper jetzt mehrere andere Boote erkennen, die ebenfalls den Wheeland Cut ansteuerten – die nordwestliche Rifflücke, durch die man von See aus in die seichte Lagune gelangte.
    An Steuerbord rauschte Arthur Dean mit seiner ungedeckten
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