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Das schoenste Maedchen der Welt

Das schoenste Maedchen der Welt

Titel: Das schoenste Maedchen der Welt
Autoren: Jo Hanns Roesler
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Marianne.
    „Marianne?“
    „Hallo! Hanns, du?“
    „Ich muß dir leider etwas Betrübliches mitteilen, Marianne“, sagte Hanns, „ich muß heute noch beruflich nach München abreisen. Ich kann nicht mehr heimkommen. Mein Zug fährt schon um halb acht Uhr.“
    „Ach, Hanns!“
    Der jungen Frau tat das Herz weh, richtig weh.
    „Wie lange bleibst du?“ fragte sie.
    „Acht Tage, vielleicht auch zehn.“
    „Ich muß dich zuvor noch einmal sehen, Hanns!“
    „Unmöglich!“
    „Ich komme zum Bahnhof, einverstanden?“
    „Das wäre herrlich, Marianne“, antwortete Hanns, „ich freue mich, wenn du kommst. Aber sei pünktlich, der Zug wartet nicht.“
    „Und das Konzert?“
    „Welches Konzert?“
    „Wir wollten doch heute abend in das Sinfoniekonzert gehen“, antwortete Marianne enttäuscht, „du hast doch sogar schon die Karten in der Tasche —“
    „Richtig! Das Konzert! Schade, Marianne.“
    „Sehr schade, Hanns.“
    Der Mann, den Marianne liebte und der Marianne geheiratet hatte, tröstete sie: „Du ziehst dich gleich für den Abend an, wenn du zum Bahnhof kommst. Das Konzert beginnt um dreiviertel acht Uhr. Du kommst noch recht.“
    „Ja. Hanns. Nur —“
    „Nur?“
    „Wenn du dabei gewesen wärst, wäre das Konzert viel schöner gewesen.“
    Hanns seufzte:
    „Mein Zug fährt halb acht — sei pünktlich, Liebes, ich erwarte dich am Bahnhof.“

    *

    Als Marianne den Hörer auflegte, war es kurz vor sieben. Sie eilte in ihr Schlafzimmer, sich umzukleiden. So schnell hatte sie noch nie ein Kleid angelegt, so schnell noch nie die Schuhe gewechselt, so schnell war noch nie ihre kleine Abendtasche gefüllt worden und so kurze Zeit hatte sie noch nie in den Spiegel geschaut, ehe sie ihr Haus verließ. Aber sie wurde fertig. Punkt halb acht Uhr stand sie auf dem Bahnhof, sie war schöner denn je, die Aufregung der kurzen Hast hatte ihre Wangen gerötet. Als sie Hanns entdeckte —
    „Wo hast du deinen Koffer, Hanns?“
    „Welchen Koffer?“
    „Ich denke, du verreist?“
    „Ich verreise?“
    „Aber du hast es mir doch selbst am Telefon gesagt?“
    Er nahm leise ihren Arm und führte sie zu seinem Wagen. „Bist du sehr böse, Marianne“, sagte er, „verzeihst du mir, wenn ich dableibe?“
    „Wolltest du gar nicht verreisen, Hanns?“
    „Nein. Ich wollte gar nicht.“
    „Aber warum hast du mir dann am Telefon —?“
    Die Leute wunderten sich, daß ein Mann seine Frau mitten auf der Straße küßte. Aber er konnte nicht anders, und ein wenig ein schlechtes Gewissen hatte er auch, als er ihr verriet:
    „Ich wollte einmal wenigstens, Marianne —“
    „Was?“
    „Einmal pünktlich mit dir zu einem Konzert kommen.“

Die Flöte

    Wer eine Blockflöte besitzt, geht flöten. Warum sollte er auch nicht? Oder stellt man je ein Klavier ungespielt als Wandschmuck in die Zimmer und hängt eine Laute lautlos auf? Was aber Sebastian mit seiner Solobarockblockflöte anfing, war wahrlich übertrieben. Von frühester Morgenstunde bis spät in den Schlaf der Nachbarn hinein blies er. Da war kein Lied vor ihm sicher. Mit gleicher Heftigkeit flötete er den weichen Walzer „Links herum“ und den straffen Marsch „Augen rechts“, ja auch die Triosonaten um 1700 alter Mensur flössen ihm genau aus dem Überblasloch wie die Bachkantaten und Händelsonaten. Und wanderte Sebastian sonntags ins Grüne, begleitete ihn die Barockblockflöte und ein Fläschlein Flötenöl und ein Döslein Zapfenfett. Dann saß er am Wiesenrand und flötete sich die Gegend menschenleer. So verliebt war Sebastian in seine Barockblockflöte und seine Kunst, sie zu blasen.

    *

    Eines Tages klopfte es an Sebastians Tür.
    Ein fremder Herr stand draußen.
    „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht.“
    „Mir?“
    „Ein Schallplattenaufnahmegerät.“
    „Was soll ich damit?“
    Der Vertreter wickelte eine Art Grammophon aus.
    „Das kann für Sie eine tönende’ Erinnerung werden, mein Herr“, begann er. „Sie können sich alle akustischen Genüsse ins Ohr zurückrufen! Welch reiche Möglichkeiten bieten sich Ihnen! Welch unschätzbare Werte können Sie sich so für wenig Geld sichern, um sich selbst oder gar späteren Generationen immer wieder Freude zu machen! Was Sie singen, was Sie pfeifen, was Sie sprechen — alles hält die Schallplatte naturgetreu fest. Wollen wir eine Aufnahme machen?“
    „Ja“, sagte Sebastian.
    Er war begeistert.

    *

    Sebastian holte seine Flöte aus dem Futteral. Leise blies er in den
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