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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr
Autoren: Albert Schöchle
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Wassergraben, den man in Frankfurt von Antwerpen übernommen
und mit Schutzvorrichtungen für die Tiere versehen hatte, traute ich nicht. Mit
Recht, denn auch in Frankfurt ertrank ein stattlicher Gorilla. Während dieser
Zeit der Zooerweiterung hätte ich beinahe meinen besten und vertrautesten
Mitarbeiter, Dr. Neugebauer, verloren. Als die Stelle des Zoodirektors in
Wuppertal neu besetzt werden sollte, erschien eines Tages der Wuppertaler
Oberstadtdirektor Stelly in der Wilhelma. Ihm war unter anderen Dr. Neugebauer
empfohlen worden, und so wollte er sich einmal ihn und sein Arbeitsgebiet
ansehen. Als er sah, was in Stuttgart geschaffen worden war, bot er die
Direktorenstelle spontan Dr. Neugebauer an. Er gestaltete das Angebot so
verlockend, daß es jedem schwergefallen wäre, nicht darauf einzugehen. Dr.
Neugebauer hätte sich nicht nur finanziell ganz erheblich verbessert, sondern
wäre selbständig gewesen und hätte seine bescheidene Vierzimmerwohnung gegen
einen sehr hübschen Bungalow vertauscht. Auf all das verzichtete er auf mein
Versprechen hin, daß ich mich für ihn als meinen Nachfolger einsetzen würde.
Das zeigte seine große innere Verbundenheit mit unserem gemeinsamen Werk. Ich
freute mich herzlich über seine Entscheidung, obwohl ich ihm die finanzielle Besserstellung
von Herzen gegönnt hätte.
     
     
     

Meine
Abschiedsvorstellung
     
     
    Die Jahre bis zum Erreichen der
Altersgrenze flogen nur so dahin; es war eine wunderbare Zeit. Die
Schwierigkeiten von seiten der Behörden waren vorüber, und in der Wilhelma
ermöglichten die sehr guten Einnahmen einen sinnvollen und großzügigen Ausbau
des Tier- und Pflanzenbestandes. Auch unsere Politik, grundsätzlich nur junge
Tiere zu kaufen und lieber einige Jahre zu warten, bis sie erwachsen und
zuchtfähig sind, zeigte die ersten Erfolge. Am 1. April 1970 schied ich aus dem
aktiven Dienst der Wilhelma aus. Durch meine Pensionierung hatte ich nun
Gelegenheit, meine ganze Zeit auf das Blühende Barock zu verwenden. Allerdings
hatte ich nicht die Absicht, mich noch ganztägig zu binden, da ich auch von
meinem Bauernhof im Allgäu in Anspruch genommen war. Ich einigte mich deshalb
mit dem Aufsichtsrat auf eine halbtägige Tätigkeit. Es war schon sehr wichtig,
daß ich mich um das Blühende Barock stärker annehmen konnte als bisher, denn je
länger dieser Garten bestand, um so schwieriger war es, über die
Eintrittsgelder die nötige Finanzierung zu erreichen. Dem Blühenden Barock
fehlt die Besucherreserve der Großstadt, in der die Straßenbahn schon über die
Hälfte der Besucher vor den Eingang bringt. So war es in den nächsten Jahren
eine wichtige Aufgabe, das Blühende Barock auf eine Basis zu stellen, die ihm
auch in der Zukunft seinen Bestand sichert. Das sah auch der Aufsichtsrat ein,
denn der Schreck über die Verlustjahre saß ihm noch in den Knochen, und ich tat
mein möglichstes, diesen Zustand zu erhalten, denn um so leichter konnte ich
neue Ideen durchsetzen. Ich mußte nur vorsichtig vorgehen. Mein nächstes
Projekt, die Herzogsschaukel, hatte ich während meiner Münchner Studienzeit auf
dem Oktoberfest als Hexenschaukel erlebt. Aber ich hütete mich wohl, dies zu
erzählen. Bei dieser Schaukel wird der Raum in Bewegung gesetzt und nicht die
Schaukel selbst. Deshalb erzählte ich lieber von Goethes Studien über optische
Sinnestäuschungen und den Überlegungen von Leibniz in seiner Zeit am Hofe der
Welfenherzöge in Hannover. Nach dem Aufmarsch von so viel geistiger Prominenz
waren die Bedenken überwunden. Es war nur noch der richtige Standort zu finden.
Dazu bot sich die günstige Gelegenheit, ein städtisches Grundstück an der alten
Marbacher Straße, das an den Märchengarten angrenzt, dem Blühenden Barock
einzuverleiben. Ein paar lärmempfindliche und nicht ganz einflußlose Bürger
hatten nämlich keine Freude am Lachen der Kinderheim Kasperle des Blühenden
Barocks. Eine ersatzlose Schließung des Kasperletheaters hätte viele Mütter auf
die Barrikaden gebracht. So waren Oberbürgermeister und Gemeinderäte, die dem
Aufsichtsrat angehörten, froh über meinen Vorschlag, das Kasperletheater an die
Marbacher Straße zu verlegen und gerne einverstanden, uns das Grundstück zu
überlassen. Damit hatte ich Erweiterungsgelände und gleichzeitig Platz für die
Schaukel.
    Diese Schaukel war zwar beliebt, erwies
sich aber nicht als eine Attraktion von der Qualität des Baches, denn nur wenige
Besucher hatten das Bedürfnis, die
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