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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr
Autoren: Albert Schöchle
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Voliere, die mir immer noch im Kopf umging,
möglich war.
    Da die Konstruktion nach dem Prinzip
des Hopfengartens an den Forderungen der Statiker gescheitert war, mußte eine
andere Lösung gefunden werden. Nun versuchten wir es auf eine ganz andere
Weise. Wir gingen von einer Bogenkonstruktion aus, wie wir sie bei
Foliengewächshäusern kennen. Bei ihnen werden einfach halbkreisförmig gebogene
Röhren mit einer Plastikfolie überzogen. Anstelle dieses Folienüberzuges
stellten wir uns Drahtgeflechte vor. Das Modell, das mein Mitarbeiter Jaeger
baute, sah aus, als ob eine überdimensionierte Raupe über das anmutig bewegte
Gelände kriechen würde. So sehr ich für nüchterne Zweckbauten bin, aber das war
zuviel des Guten. Als wir bedrückt vor dem Modell standen, und es mit dem
eleganten Modell des Hopfengartens verglichen, kam mir plötzlich ein Gedanke.
Ich nahm die einzelnen Binder und steckte sie so in den Boden des Modells, daß
sie nicht mehr parallel standen, sondern sich wie die Rippen eines Kreuzgangs
kreuzten. Allerdings wählte ich die Schnittpunkte nicht am Scheitelpunkt,
sondern am unteren Drittel. Dadurch war aus der monotonen Raupe ein Gebilde
geworden, das in dem bewegten Gelände eine interessante Lösung versprach. Auch
der Aufsichtsrat akzeptierte diese Konstruktion, und es lief alles vorzüglich
bis zu dem Augenblick, als wir wieder die Statiker bemühen mußten. Neiderfüllt
dachte ich an die Bauherren und Architekten jenseits unserer bundesdeutschen
Grenzen, von denen kein statischer Nachweis für ein solches Bauwerk gefordert
wird. Der Statiker errechnete, wie zu erwarten war, eine Rohrdimension, die es
unmöglich machte, Rohre von dieser Stärke und Länge zu biegen. Trotz vieler
Umfragen erklärte sich jedes Hüttenwerk außerstande, den Auftrag auszuführen.
Es blieb nichts anderes übrig, als die Bogen durch gerade Träger zu ersetzen,
die wir an den Kreuzungsstellen knickten. Das war zwar nicht so elegant, aber
durchführbar. Da es wirklich keine Alternative mehr gab, fanden wir uns, nicht
gerade begeistert, mit dieser Lösung ab.
    1977 wurde die Voliere eröffnet. Sie
fand viel Beifall und erwies sich als eine wertvolle Ergänzung. Jetzt stand das
Blühende Barock nicht mehr nur auf zwei Beinen, sondern auf dreien. Der Park
und Schloßgarten für die Blumenfreunde, der Märchengarten für die Kinder, die
Großvoliere und die Volieren auf der Planie sowie das Tal der Vogelstimmen für
die Natur- und Tierfreunde. Damit hatte das Blühende Barock eine solide
Grundlage für seine Existenz in den kommenden Jahren erhalten.
    Auch durch eine weitere
Jubiläumsausstellung im Jahre 1979 wurde die Substanz des Blühenden Barocks so
vermehrt, daß ich mich beruhigt auf den Köpfhof zurückziehen konnte. Aus der
Ferne freue ich mich jetzt an der guten Entwicklung der Gärten, denen ich mein
Leben gewidmet habe.
     
     
     

Zu guter Letzt
     
     
    Wenn ich nun auf meinem Bauernhof im
Allgäu auf die vergangenen Jahrzehnte zurückblicke, so habe ich das Gefühl, im
Leben ungeheuer viel Glück gehabt zu haben. Die Zeit nach dem Kriege war der
einzige Augenblick, in dem es möglich war, die Wilhelma zum Zoo zu machen und
das Blühende Barock ins Leben zu rufen. Glück hatte ich bei der Auswahl meiner
Mitarbeiter, die mit mir durch dick und dünn gingen. Glück hatte ich mit dem
Langmut und dem Verständnis meiner Vorgesetzten und des Aufsichtsrates des
Blühenden Barocks, denen ich allerhand zumutete. Glück hatte ich auch, weil ich
im Verein der Freunde der Wilhelma und unter den Journalisten treue Freunde
hatte, die stets zur Stelle waren, wenn Gefahr im Verzug war.
    Das sind die Gründe meines Erfolgs.
Wenn ich noch einen weiteren Grund nennen soll, so ist es die Tatsache, daß ich
stets nur das zu machen versuchte, was mir Freude bereitete, auch auf die
Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen. Denn was man freudigen Herzens tut, führt
letzten Endes doch zum Erfolg. Nein, ein guter Beamter war ich wirklich nicht,
aber wie sagte doch mein väterlicher Freund Dr. Feucht? »Dieser Schöchle ist
ein Mensch, der sich des öfteren phantastisch in die Nesseln setzt, aber zum
Erstaunen aller höchst unbeschadet wieder herauskommt.«

Statt eines Nachworts: Ein Spaziergang mit Albert Schöchle
     
     
    Wir waren an einem sonnigen, aber
windigen Aprilnachmittag zusammen den Buchenberg hinaufgeschnauft. Nein, ich
muß der Wahrheit die Ehre geben, geschnauft habe nur ich, die ich halb so alt
bin wie Albert
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